Dear English speaking fans! An English version of this interview with Matthew Murphy is available here.
Beim Highfield vor ein paar Wochen habe ich Ober-Wombat Matthew Murphy zum Interview getroffen. Es wurde ein sehr interessantes Gespräch über die Schwierigkeit, als Band richtig verstanden zu werden, über Hundescheiße-Attacken und die US-Tour, die heute beginnt – und den Wombats eigentlich gar nicht so gelegen kommt.
Vor drei Jahren sind wir uns schon einmal beim Highfield begegnet. Damals hast du backstage Tischtennis gespielt, und ich dachte mir bei diesem Anblick: Manchmal muss es sich wohl ziemlich langweilig anfühlen, ein Rockstar zu sein.
Matthew Murphy: Ich würde mich nicht gerade als Rockstar betrachten. So sehe ich mich nicht.
Wie siehst du dich denn dann? Was sollte auf deiner Visitenkarte stehen, wenn nicht “Matthew Murphy – Rock Star”?
Murphy: Wenn ich eine Visitenkarte hätte, dann würde vielleicht “Songwriter” ganz gut zu mir passen. Rockstars verbinde ich eher mit Lederjacken, Sonnenbrillen und Hollywood.
Aber macht dieses Konzept nicht auch den Reiz aus, wenn man sich irgendwann entscheidet, eine Gitarre in die Hand zu nehmen und eine Band zu gründen? Als ihr angefangen habt, wolltet ihr doch bestimmt auch Stadien füllen und Nummer-1-Hits haben. Oder wenigstens, wie es ja in eurem Song heißt, Girls And Fast Cars.
Murphy: Okay, wir wollten Erfolg. Wir wollten Bewunderung und kreischende Fans. Natürlich ist es auch ganz schön, wenn dabei ein bisschen Geld rumkommt. Aber wir haben uns nie darum geschert, ob wir berühmt werden. So etwas habe ich mir niemals ausgemalt.
Und wahrscheinlich hast du dir auch nie ausgemalt, dass die irgendwann deine Nachmittag mit Tischtennis bei deutschen Festivals verbringst?
Murphy: Klar gibt es solche Phasen, wenn man einfach Zeit totschlagen muss. Früher habe ich dann meistens geraucht, aber damit habe ich jetzt aufgehört, deshalb muss ich mir ein paar neue Sachen einfallen lassen. Das kann sich wirklich seltsam anfühlen, weil man auf der Bühne diese riesige Menge an Euphorie bekommt, einen richtigen Adrenalin-Kick. Und der Rest des Tages ist dann richtig langweilig. Und so geht das jeden Tag: Ein ganz kurzer Gipfel voller Energie und rundherum reichlich Stillstand.
So ähnlich fühlen sich Festivaltage ja manchmal auch für die Fans an. Man muss eine Menge Zeit totschlagen, bevor es auf der Bühne endlich losgeht oder die Band spielt, wegen der man gekommen ist. Hast du das auch schon erlebt? Warst du früher als ganz normaler Fan bei Festivals?
Murphy: Nein. Ich stehe nicht auf Camping. Ich hatte da eine schreckliche Erfahrung, als wir mit der Schule beim Camping waren. Hunde sind in unser Zelt gekommen und haben mich komplett vollgeschissen. Das war ziemlich beängstigend. Bei Festivals war ich dann erst, als ich schon in einer Band spielte. Als wir zum ersten Mal beim Glastonbury gespielt haben, hatten wir allerdings ein Zelt – und ich habe es nicht mehr wieder gefunden. Ich musste über das ganze Gelände laufen und die Namen der anderen rufen, bis sie mich endlich irgendwann gehört haben. Damals habe ich mir geschworen, dass ich nie wieder campen werde.
Trauerst du den alten Zeiten und den Anfangstagen der Wombats manchmal nach?
Murphy: Das waren wirklich spaßig Zeiten damals. Als wir noch selbst zu den Gigs gefahren sind und selbst das ganze Equipment aufgebaut haben.
Für mich klingt das nicht gerade nach Spaß.
Murphy: Stimmt, aber es war so. In der Erinnerung kommt mir das alles sehr lustig vor – auch wenn ich es damals wahrscheinlich gehasst habe. Aber ich fand es toll, wie wir uns da durchkämpfen mussten.
Die Zeit in der Band vor dem Erscheinen eures Debütalbums war fast genauso lange wie die Zeit seitdem. Welche Phase hat dir besser gefallen?
Murphy: Am besten war die Zeit kurz bevor das erste Album rauskam. Wir hatten einen Plattenvertrag, wir spielten bei South by Southwest, ganz viele aufregende Dinge passierten. Das war eine fantastische Zeit in unserem Leben.
Danach scheint ihr aber nicht mehr so glücklich gewesen zu sein. Mein Eindruck ist, dass ihr euch nach A Guide To Love, Loss & Desperation ein bisschen missverstanden gefühlt habt. Kann man das so sehen?
Murphy: Wahrscheinlich schon.
War This Modern Glitch, das ein Stückchen ernsthafter und erwachsener klingt, ein bewusster Versuch, dieses Image zu ändern?
Murphy: Jede Band rebelliert mit ihrem zweiten Album gegen ihr erstes. Ich weiß nicht, wie die anderen in der Band darüber denken. Aber mein Eindruck war, dass wir als eine Party-Band wahrgenommen wurden. Und dass, obwohl wir zwar schnelle, tanzbare Musik machen, aber eben auch schräge Texte haben, die ein paar richtig schwierige Themen ansprechen, auch schon auf dem ersten Album. Bei This Modern Glitch wollte ich die spaßigen Elemente gerne erhalten, aber eben auch Songs wie Anti-D haben, die zeigen, dass deutlich mehr Dimensionen in uns stecken.
Apropos schräge Texte: Ich muss unbedingt wissen, ob du wirklich ab und zu in einem Pinguin-Kostüm durch London rennst, wie du es im Text von Techno Fan beschreibst.
Murphy: Nein. Aber ab und zu kommen Fans zu unseren Konzerten in Pinguin-Kostümen. Ich mag das. Bei einer Show in New Orleans hat unser Schlagzeuger Tord sich dann das Kostüm von einem Fan geliehen und den ganzen Auftritt als Pinguin gespielt.
Gibt es ein paar Lieder oder Textzeilen, die du mittlerweile bereust?
Murphy: Nein. Ich denke, ich kann auf alles stolz sein. Backfire At The Disco fühlt sich mittlerweile für mich persönlich vielleicht ein bisschen komisch an, weil ich das Lied geschrieben habe, als ich deutlich jünger war. Darum spielen wir den Song auch nicht mehr. Aber vielleicht nehmen wir ihn in Zukunft auch wieder ins Repertoire auf.
Das ist einer eurer Kracher für die Tanzfläche. Zu welcher Musik tanzt du am liebsten?
Murphy: Ich tanze überhaupt nicht. Ich kann es nicht. Ich muss wirklich sehr, sehr, sehr besoffen sein, um zu tanzen. Wenn ich nicht betrunken bin, funktioniert das nicht – da ist es völlig egal, was für Musik spielt.
Und wenn du sturzbetrunken tanzt, spielt die Musik vielleicht auch keine große Rolle mehr.
Murphy: Stimmt.
Kannst du mittlerweile gut leben damit, wer die Wombats sind und wie sie betrachtet werden?
Murphy: Ähm, eher nicht.
Warum nicht?
Murphy: Ich denke, wir sind eine etwas schizophrene Band. Wir wissen wahrscheinlich selbst nicht, was wir sind: eine Popband, eine Indieband oder eine Rockband.
So siehst du es als Bandmitglied. Was denkst du, wie die Wombats von außen betrachtet werden? Wie sieht mittlerweile euer Image aus?
Murphy: Darüber mache ich mir viele Gedanken. Aber es ist schwer für mich, einen objektiven Blick auf die Band zu werfen. Ich könnte dir jetzt natürlich erzählen, wie großartig wir sind und so. Aber das würde keinen Sinn machen. Andererseits ist es mir auch einigermaßen egal. Ich möchte einfach, dass wir vielseitige Alben machen. Ich weiß, dass wir große Popsongs lieben mit abgefahrenen Texten. Abgefahrenen und hoffentlich schlauen Texten. Das werden wir einfach weiter machen, und dann spielt es keine große Rolle, ob wir dann versuchen, das Ganze in Converse oder als Elektro zu verkaufen.
Wenn du den Eindruck hast, die Leute verstehen die Wombats nicht richtig – warum erzählst du ihnen dann nicht einfach in den Songs, wer ihr seid? Das müsste doch das perfekte Medium dafür sein?
Murphy: Klar. Aber ich habe keine Lust, den Leuten zu erzählen: Wir sind diese und jene Band, die genau hier eingeordnet werden muss, irgendwo zwischen Busted und The Strokes. Das würde ich nie machen.
Das klingt wirklich nach keiner allzu angenehmen Schublade.
Murphy (lacht): Stimmt. Aber natürlich gibt es auch Songs mit Botschaften, die ich verbreiten will, in denen wir erklären, wie wir zu bestimmten Dingen stehen und wie unser Bild der Welt aussieht.
Wird das ein Schwerpunkt auf dem nächsten Album sein? Worauf können wir uns freuen?
Murphy: Ich würde gerne ein richtiges Gitarrenalbum machen, eine echte Rock-Platte. Aber ich habe keine Ahnung, ob es dann wirklich so kommen wird. Wir haben bisher vier neue Lieder aufgenommen und noch ein paar andere in der Pipeline. Bisher ist alles ziemlich rockig. Eines der Lieder klingt nach Band Of Horses. Ein anderes, mein liebstes im Moment, ist im Prinzip eine große, spektakuläre Ballade.
Schreibst du im Tourbus neue Songs? Oder bei Soundchecks?
Murphy: Ich kann unterwegs nicht so gut arbeiten. Irgendwie finde ich das peinlich. Mir ist es lieber, wenn ich erst einmal in aller Abgeschiedenheit arbeiten kann, bis ich das Gefühl habe, dass die Lieder gut genug sind, um rauszudürfen. Deshalb brauche ich vielleicht länger als andere, aber so ist das nun einmal. Ich muss mich in meiner Höhle einschließen und dann anfangen zu schreiben. Dann stelle ich die Songs Dan und Tord vor, und wir arbeiten sie dann gemeinsam weiter aus.
Beim Blick auf eure Sommer-Termine fällt auf, dass ihr zwischen den einzelnen Festivals viel mehr Zeit lasst und mehr Pausen macht als andere Bands. Ist das Absicht?
Murphy: Ja, das wollten wir ganz bewusst so machen.
Warum?
Murphy: Weil wir nach dem ersten Album alle durchgedreht sind. Ich war am Ende. Wir kamen uns vor wie eine Cover-Band. Und dann direkt vom Tour-Leben zum Schreiben und zur Arbeit im Studio überzugehen, fühlte sich sehr seltsam an. Von einem Moment auf den anderen ist alles tot. Daraus haben wir gelernt. Diesmal wollten wir nur ein paar Festivals spielen und uns dann konzentriert an die Arbeit für das dritte Album machen. Aber daraus wird jetzt leider nichts, weil wir für zwei Monate auf Tour in den Staaten gehen werden (lacht).
Wie verbringst du deine Zeit in den Pausen zwischen den Festival-Shows?
Murphy: Ich versuche, Dinge zu tun, die nichts mit der Band zu tun haben.
Das Leben.
Murphy: Genau. Ich versuche, zu leben. Und dann ein paar Dinge aus dem Leben zu ziehen, die ich wieder für die Band nutzbar machen kann.
Gibt es schon einen Zeitplan, wann das dritte Album erscheinen soll?
Murphy: Nächstes Jahr um diese Zeit werden wir unser 10. Jubiläum feiern. Wenn es dann rauskommt, wäre das perfekt. Das letzte Album kam mir ein bisschen wie ein Schnellschuss vor. Diesmal will ich nicht einfach Songs rausknallen, sondern mir wirklich Zeit nehmen, bis ich sicher bin, dass die Lieder gut genug sind.
Hättest du dir am Beginn der Wombats vorstellen können, zehn Jahre lang in dieser Band zu spielen? Hat es sich so entwickelt, wie du gehofft hattest?
Murphy: Ja, es ist brillant gelaufen. Wir können uns sehr, sehr glücklich schätzen. Wir hätten nie gedacht, dass wir mal so weit kommen. Wir wollten solide sein, genug Geld verdienen, um unsere Miete zahlen zu können, ab und zu im Radio gespielt werden. Aber es ist noch viel besser gelaufen. Ich frage mich gerade, wie es wohl sein würde, noch zehn Jahre in der Band zu spielen.
Genau das wollte ich auch gerade fragen.
Murphy: Ich weiß es nicht. Wir haben erst zwei Platten rausgebracht, aber das fühlt sich an wie vier. Ziemlich verrückt. Ich denke, wir kümmern uns jetzt erst einmal um das dritte Album, und dann sehen wir weiter.
Ein Gedanke zu “Interview mit den Wombats”