Künstler | Abramowicz | |
Album | The Modern Times | |
Label | Radicalis | |
Erscheinungsjahr | 2019 | |
Bewertung |
„The world is not as good as you / but it’s the only place I know“, singt Sören Warkentin, Frontmann von Abramowicz, in Drive gegen Ende dieses Albums. Es ist eine Zeile, aus der man Resignation heraushören könnte, vielleicht sogar Fatalismus. Doch die Botschaft der Band aus Hamburg, die mit The Modern Times ihr erstes Album nach zuvor zwei EPs vorlegt, ist eine ganz andere: Sie heißt: Aufrecht bleiben, zuversichtlich, anpacken!
Das zeigt sich immer wieder auf dieser Platte, bei Rolling Up My Sleeves sogar schon im Songtitel. Die Situation zu Beginn der Erzählung in diesem Song ist: komplett im Arsch. Aber da ist Hoffnung, auch wenn sie vielleicht nur in einem dreisten Flirt steckt. The Sign beschwört ein Gefühl von Zusammengehörigkeit und Geistesverwandtschaft, und man ahnt schnell: Abramowicz meinen damit die gegenseitige Verbundenheit von Außenseitern. Not My City nimmt unter anderem mit der Zeile „I am tired of talking about the revolution“ die Gentrifizierung in den Blick, zu einem New-Wave-Rhythmus, den man schon tausendmal gehört hat, der aber hier sehr wirkungsvoll ist.
Dass The Modern Times so verdammt gut klingt, ist den Produzenten Kristian Kühl (Leoniden), Hauke Albrecht (Turbostaat) und Paul Konopacka (Herrenmagazin) zu verdanken. Sie schaffen es immer wieder, den Kompositionen dieser Band das gewisse Etwas zu verleihen. Das gilt für den kernigen Album-Auftakt Blood Red Letters, der sofort Parallelen zu Gaslight Anthem erkennen lässt, die dann auch den weiteren Verlauf des Albums prägen, ebenso wie für Brooklyn: Die Gitarre ist plakativ, der Beat ist tanzbar, die Melodie ist mitreißend. Falls die Idee bei diesem Lied war, einen Hit zu machen, hat das geklappt.
Oft genug sind die Stücke von Abramowicz freilich stark genug, um völlig ohne Politur auszukommen. Death On The Streets belegt das: Man könnte das für konventionelle Rockmusik halten, wäre da nicht diese außergewöhnliche Leidenschaft. Wild Rover bleibt etwas gebremst, hat aber trotzdem viel Kraft. Queen Of The Night Boats ist das ungewöhnlichste Lied auf The Modern Times: Der Text wird zu Beginn bloß gesprochen, die Musik lässt mehr Raum für Zwischentöne.
Bei Mountains fällt auf, dass Biffy Clyro nicht nur einen Song gleichen Titels haben, sondern auch tatsächlich so klingen könnten, wenn eine wichtige Bedingung erfüllt wäre: Ihr Sänger Simon Neil müsste sich, wie es Sören Warkentin offensichtlich getan hat, 20 Jahre lang ausschließlich von Whiskey, Zigaretten und Schmirgelpapier ernähren – und vom Glaube an die versöhnende, aufrührerische, romantische Kraft von Rockmusik.