Acht Eimer Hühnerherzen Musik Review Kritik

Acht Eimer Hühnerherzen – „Musik“

Künstler*in Acht Eimer Hühnerherzen

Acht Eimer Hühnerherzen Musik Review Kritik
Die Anführungszeichen bei „Musik“ sind wichtig für diese Platte.
Album „Musik“
Label Kidnap Music
Erscheinungsjahr 2022
Bewertung

Man kann die Texte von Acht Eimer Hühnerherzen wohl auch auf dem dritten Album der Band aus Berlin-Kreuzberg berechtigterweise als rätselhaft bezeichnen. Sie reimen „Sanssouci“ auf „Therapie“ (in Sartre), sie nennen ein Lied (Durch meine viel zu große) Brille (kann ich dich jetzt auch nicht mehr sehen) – die ganzen Klammern sind dabei Absicht und wichtig. Sie eröffnen diese Platte mit den Zeilen: „Für meine Band bin ich ein Zoni / und sie für mich ein Kombinat.“

Trotzdem finden sich auf „Musik“ – die Anführungszeichen sind dabei Absicht und wichtig – mindestens zwei Momente, in denen sehr klar wird, worum es in den jeweiligen Liedern geht. Mehr noch: Man kann darin entdecken, wofür Apokalypse Vega (Gesang, Gitarre), Bene Diktator (Schlagzeug) und Herr Bottrop (Bass) stehen. Das erste dieser beiden Stücke heißt Futur und liefert ganz eindeutig die Aufforderung, einfach mal nicht zu planen, zu grübeln, alles zu zerreden und möglichst viel zu antizipieren, sondern die Gegenwart zu schätzen und damit auch die zu ihr gehörende Unberechenbarkeit. Das zweite ist der bereits erwähnte Song mit der Brille. Hier wird die Lyrik radikal und stellt klar, dass Acht Eimer Hühnerherzen keine Lust auf Kompromisse haben: nicht im Alltag und nicht in ihrer Kunst.

Damit sind Ästhetik und Credo des Trios, das Linus Volkmann als „die aufregendste Band der letzten Jahre: heimelig, spröde, verrückt, pointiert, zum Knutschen“ bezeichnet hat, wohl recht treffend umrissen, ausgerechnet auf Basis der Interpretation von Texten, die sich vermeintlich unbedingt einer Exegese entziehen wollen. Was natürlich letztlich nicht allzu verwunderlich ist: Acht Eimer Hühnerherzen wissen genau, wie reizvoll es ist, kryptisch zu sein und Rätsel zu hinterlassen. Sie wissen aber auch, dass niemand unlösbare Rätsel mag. Es muss immer einen ausreichend großen Anteil an Kontext, Tipps und Andeutungen geben, der dann eben doch Orientierung ermöglicht – und diese Balance bekommen sie auf „Musik“ meisterhaft hin.

Schon Zoni ist als Auftakt schrammelig und irgendwie auch heavy, schmissig und irgendwie auch mysteriös. Hautproblem zeigt ihre ungebrochene Freude an Wortspielen, Straße der Gewalt (das wahrscheinlich eine toxische Beziehung thematisiert), Jetzt auch in Berlin (das gegen die erdrückende Kraft der Konformität ansingt) und Genug (das sich als überaus kurzweilige Konsumkritik erweist) unterstreichen ihre Vorliebe für klare Ansagen.

Man kann das weiterhin irgendwo zwischen NDW-Freigeist, Nina-Hagen-Wahnsinn und der schrägen Eigenständigkeit meinetwegen von Fritzi Ernst einordnen. Es gibt wieder praktisch in jedem Lied einen sehr tollen Bass und erstmals überhaupt in der Geschichte der 2018 nach eigenen Angaben aus Zufall gegründeten Band auch (zumindest in einem Song) eine elektrische Gitarre. Dazu kommt auf der von Kurt Ebelhäuser produzierten Platte aber noch ein neues Element. Acht Eimer Hühnerherzen beherrschen hier nicht nur Schwung und Witz, Mut und Individualität. Sie können auch beeindruckende Atmosphären kreieren (Na dann) und sogar Schwermut und Tiefe (Requiem). Das ist zweifelsohne noch immer der Nylonsaitenpunk, den sie als Selbstbezeichnung und Genre erfunden haben. Aber es ist ganz unzweifelhaft auch „Musik“.

Das Video zu Hautproblem liefert den bildlichen Nachweis der Nylonsaiten.

Website von Acht Eimer Hühnerherzen.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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