Adam Naas – „The Love Album“

Künstler Adam Naas

The Love Album Adam Naas Review Kritik
Zu seinem „Love Album“ sollen Babys gezeugt werden, wünscht sich Adam Naas.
Album The Love Album
Label Virgin
Erscheinungsjahr 2018
Bewertung

Es gibt diverse Probleme beim Blick auf das heute erscheinende Debütalbum von Adam Naas. Das größte davon ist der Titel: The Love Album. Das klingt nach einem ultimativen Statement, nach Konzept, nach Gesamtkunstwerk. Nichts davon bietet die Platte des 26-jährigen Franzosen, der mit seiner ersten EP vor zwei Jahren für ordentlich Aufmerksamkeit gesorgt hatte. Das darauf enthaltene Fading Away bringt es mittlerweile auf fast 5 Millionen Streams bei Spotify. Gemeinsam mit Produzent Dan Black (ehemals The Servant) will er nun daran anknüpfen. „Auf dem Album kommen viele Aspekte zusammen, weil ich nicht eine, sondern Tausende von Persönlichkeiten habe. Mit der Platte wollte ich dieses Spektrum einfangen, weshalb auch jeder Song seinen ganz eigenen Style hat“, sagt Adam Naas.

Dieser, wohlwollend formuliert, Facettenreichtum ist ein weiteres Problem, denn so etwas wie einen Spannungsbogen oder gar eine stimmige Ästhetik wollen sich bei The Love Album kaum einstellen. Die Single Cherry Lipstick ist nicht ohne Reiz und klingt mit ihrem treibenden Beat, als wollten Gossip auf New Wave machen. Das ebenfalls vergleichsweise muskulöse True Intimacy lässt an Prince oder The Weeknd denken. Auf dem Refrain von I Want You To Get Close To Me klebt etwas zu sichtbar das Etikett „sinnlich“, auch wenn sich nicht bestreiten lässt, dass er dieses Ziel erreicht („Hoffen wir mal, dass mit diesem Album als Soundtrack tatsächlich ein paar Eizellen und Spermien zusammenfinden“, sagt Adam Naas zu einem der Ziele für seine Platte).

Viel schwerwiegender ist aber, dass der 26-Jährige offensichtlich nicht allzu viel über die Liebe zu erzählen hat. Das Booklet enthält ein Quasi-Poster mit Bildern von ihm auf der einen, dem The Love Album-Schriftzug auf der anderen Seite – aber wohlweislich nicht die Texte, für die bei dieser üppigen Ausstattung reichlich Platz gewesen wäre. Das ist kein Wunder, denn die Lyrics strotzen gerne vor Klischees wie in He’s Gonna Kill Me, das zum Thema häusliche Gewalt seltsamerweise Streicher, einen Chor und reichlich Elektronik auffährt. Auch Shalalalove zeigt dieses Problem: Das Arrangement ist originell, die Stimme, die mitunter an Kelis denken lässt, ist außergewöhnlich, aber der Text bleibt ohne Substanz. Viele Wiederholungen einzelner Zeilen sollen das kaschieren, vergrößern das Problem aber letztlich noch.

Selbst, wenn Adam Naas diese Platte bloß The Love (der gleichnamige Song schickt Morcheeba auf einen Sixties-Trip) oder Strange Love (die Strophe in diesem atmosphärisch gelungen Track zeigt, was in dem unwahrscheinlichen Fall herauskommen könnte, in dem sich Tina Turner mit James Blake verbrüdert) genannt hätte, wäre sie eine Enttäuschung gewesen. Denn die entscheidende Zutat fehlt hier auf häufig eklatante Weise: Gefühl. Der Auftakt No Love Without Risk ist extrem reduziert und verschleppt, will Soul mit typischen Zutaten wie einem Background-Frauenchor und Streichern heraufbeschwören, hat aber eine entscheidende Leerstelle: die Bereitschaft, sich emotional zu entblößen, die Pose abzulegen. Eternity verwechselt intensiv und reduziert mit ereignisarm und langweilig, Love Is Never To Blame bleibt Kitsch, im Rausschmeißer When You’re Holding Me gibt es zu Beginn nur Klavier und Gesang, was natürlich „Bedeutung!“ und „große Gefühle!“ schreit, aber auch hier stellt sich keines von beiden ein.

Adam Naas, der für alle Lieder entweder bei Text, Musik oder beidem Co-Autoren hatte, agiert damit entweder erschreckend lieblos (er hat Wirtschaft studiert, „um die Welt besser verstehen zu können“, wie unromantisch) oder sagenhaft überambitioniert. Die vorherrschende Perspektive ist Selbstmitleid und Egozentrik, beides kann so ziemlich das Gegenteil von wahrer Liebe gelten. „Schau mal, was ich mit meiner Stimme und im Studio alles machen kann“, scheint stets die wichtigste Botschaft zu sein. Beides ist durchaus eine Menge, vor allem der Gesang hat reichlich Potenzial. Aber nichts davon scheint einen Bezug zu seiner eigenen Welt zu haben, schon gar nicht zu seinem Gefühlsleben. Letztlich weckt The Love Album den Verdacht: Über die Liebe weiß Adam Nass fast nichts.

Wer die Sache mit „selbstverliebt“ nicht glauben mag: das Video zu Cherry Lipstick.

Adam Naas bei Instagram.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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