Künstler | ÄTNA | |
EP | La Famiglia – An Audiovisual Suite | |
Label | House Of Srength | |
Erscheinungsjahr | 2018 | |
Bewertung |
Bei ihren Live-Shows vor dem Erscheinen dieser EP haben ÄTNA äußert unterschiedliche Stationen absolviert. Sie waren beim Imagine-Festival in Basel zu Gast, zu dem Workshops, Filme und bildende Kunst gehören. Sie haben das linke Avantgarde-Biotop namens Fusion beehrt, wurden für die Jazzopen in Stuttgart gebucht, standen auf dem Programm des Alínæ Lumr in Brandenburg mit seinem Indie-Pop-Schwerpunkt und wurden von Singer-Songwriter Gisbert zu Knyphausen für dessen Heimspiel in Eltville eingeladen.
Das zeigt, dass Sängerin und Pianistin Inéz Schäfer und Schlagzeuger Demian Kappenstein, die sich an der Musikhochschule Dresden kennengelernt und 2017 ihre erste EP veröffentlicht haben, entweder verzweifelt versuchen, ihren Bekanntheitsgrad als ÄTNA zu steigern und jede Gelegenheit wahrnehmen, die sich ihnen dazu bietet. Oder dass sie künstlerisch für sehr vieles offen sind und bevorzugt Formate bereichern, die einen weiten Horizont haben.
Ihre gerade veröffentlichte zweite EP La Famiglia – An Audiovisual Suite unterstreicht, dass natürlich Letzteres der Fall ist. „Ästhetik gilt für uns, wie Musik auch, als Ausdrucksmittel“, betonen sie. Neben der Musik gehören Mode und Design zu dieser Ästhetik, nicht zuletzt Videoclips: Für jedes der vier Lieder auf dieser EP gibt es auch ein Video, die Ton- und Videoaufnahmen wurden dabei zusammen in einem Stück aufgenommen, die Sache mit dem „audiovisual“ haben ÄTNA also sehr wörtlich genommen.
Für das Duo aus Dresden werden James Blake, Fever Ray und die White Stripes als Koordinaten genannt, unbedingt sollte man auch Austra hinzufügen, wie der Auftakt Sister zeigt. Der Song ist nicht nur durch die klassisch anmutende Stimme von Inéz Schäfer pompös und theatralisch, sondern auch durch das spektakuläre Schlagzeug. Der Text artikuliert weibliche Eigenständigkeit, Ebenbürtigkeit, sogar Überlegenheit, die Musik dazu ist anstrengend, aber auch kreativ, ungewöhnlich und eindringlich.
Im reduzierten, beinahe verwaschenen Hearts ist der Gesang schlaftrunken, das Klavier scheint erst zu sich selbst (und dann zu beträchtlicher Eleganz) zu finden. Brother lebt von seinem guten Groove, der federnd, aber mit erstaunlicher Bestimmtheit daher kommt – fast ohne dass man es bemerkt, entwickelt sich das Stück zu Drone und Drama. Bond schließt die EP ab, wirkt rund anderthalb Minuten wie eine acappella-Beschwörung, dann wird es durch das Klavier noch ernsthafter und tatsächlich berührend.
Spannend ist La Famiglia – An Audiovisual Suite, produziert von Moses Schneider, in jedem Fall. Gelegentlich sind ÄTNA zwar arg verkopft in ihrem Bemühen, bloß nichts Vertrautes zu reproduzieren. Das führt aber keineswegs dazu, dass ihre Musik emotionslos wäre. Vielmehr spürt man Dinge, die man allerdings nicht sofort benennen und einsortieren kann. Das ist wohl gar nicht so weit weg vom Ziel, das dieses Duo mit seiner Kunst verfolgt: alles einschließen, sogar alles für möglich halten.