Es gibt viele Möglichkeiten, wie man in einem Konzert seine Bewunderung und Begeisterung für das Geschehen auf der Bühne ausdrücken kann. Man kann klatschen, mitsingen, die Arme in die Luft reißen, näher nach vorne kommen, wenn die Show beginnt, tanzen, nach einer Zugabe verlangen oder Rosen auf die Bühne werfen. Beim Auftritt von Alex Cameron im UT Connewitz passiert all das (Letzteres nach The Comeback). Es lässt sich aber auch ein neues Phänomen beobachten: Je länger die Show dauert, desto mehr Leute nehmen ihren Mund-Nasen-Schutz ab.
Als Rosie Alena das Vorprogramm beginnt, tragen noch etwa ein Drittel der Menschen im Saal eine Maske. Das ist nicht vorgeschrieben, die Show findet unter 2G+ statt, aber eine zusätzliche Sicherheitsmaßnahme. Als sich Alex Cameron gut zwei Stunden später mit der Zugabe Politics Of Love verabschiedet, sieht man fast keine einzige Maske mehr. Das könnte daran liegen, dass das Tragen über so lange Zeit unangenehm wird. Wahrscheinlicher scheint aber eine andere Ursache: Die Fans in Leipzig erleben, wie befreiend so ein Abend mit Bewegung und Begegnung, Gags und Gleichgesinnten ist, und eine Schutzmaske passt nicht zu diesem Gefühl. Sie wollen womöglich auch den vier Künstlern auf der Bühne zeigen, dass ihr Gesicht strahlt, dass sie glücklich sind. Nicht nur, weil endlich überhaupt wieder Livemusik möglich ist. Sondern, weil sie genau diese Lieder in genau diesem Moment gebraucht haben.
Der Star des Abends kommt in schwarzen Slippern, einem kurzärmeligen Hemd, das Charlie Harper alle Ehre gemacht hätte, und einer dunklen Hose auf die Bühne, die seinen gerne dem Publikum zugewandten Hintern gut zur Geltung bringt. Dieser Hintern ist schon ein beträchtlicher Teil der Performance, die anderen Teile sind ein oft nach oben gereckter Arm und das Mikrofonkabel, das Alex Cameron als Ersatz für einen Tanzpartner dient. Zum Tanz gibt es reichlich Gelegenheit: Das Schlagzeug (insbesondere Bass Drum und Snare) sind anfangs zwar manchmal so laut und mächtig, dass Finesse verloren geht oder man gar den Text nicht mehr verstehen kann. Als dieses Problem gelöst ist, wird die Show aber immer schwungvoller und lässt erstaunlich viele Latin-Elemente in der Musik des Australiers erkennen.
Cameron befragt das Publikum, ob es nun „Leipzickckck“ oder „Leipzichchch“ heißt, die von einem Zwischenrufer favorisierte Variante „Leibschsch“ verwirf er indes. Er sollte die Antwort eigentlich ohne längst kennen, schließlich ist es nicht sein erster Auftritt auf dieser Bühne, und er bedankt sich bei der Crew im UT Connewitz wie bei alten Bekannten. Die Dekadenz der Location passt tatsächlich bestens zu seiner Musik, und beim wunderbaren K-Hole lässt der Bühnenhintergrund sogar ein wenig an die Kirche denken, durch die er im Videoclip dieses Songs tänzelt. Ein Highlight wird auch Stranger‘s Kiss. Dazu kommt Rosie Alena wieder auf die Bühne und übernimmt den Duett-Part, den in der Studioversion noch Angel Olsen inne hatte. Sie glänzt, wie schon im Vorprogramm, mit Leidenschaft und Intensität in ihrer Stimme. Die zwei von ihr gesungenen Strophen zeigen aber auch, wie schnell sich der Charakter der Songs von Alex Cameron ändert, wenn jemand anders sie singt, wie wichtig also seine eigene Stimme für diese Ästhetik, ihre Zwischentöne und seine Botschaften ist.
Am Ende von Marlon Brando, mit dem er das reguläre Set beschließt, tanzt jede einzelne Person im Saal, das schließt das Barpersonal des UT Connewitz und den Fotografen der Lokalzeitung ein. Viel besser als mit diesem Konzert kann man Monday Motivation nicht interpretieren.
Die Setlist von Alex Cameron in Leipzig:
Happy Ending
Country Figs
Far From Born Again
Candy May
Miami Memory
Prescription Refill
K-Hole
Sara Jo
Stranger‘s Kiss
The Comeback
Marlon Brando
Politics Of Love (Zugabe)