Künstler*in | Alfie Templeman | |
Album | Forever Isn’t Long Enough | |
Label | Chess Club | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Bewertung |
Millennials haben eine sagenhaft kurze Aufmerksamkeitsspanne, sind schnell gelangweilt, immer auf der Suche nach dem nächsten Unterhaltungshäppchen oder, noch besser, dem nächsten Kommentar, Share oder Like zum Zwecke der eigenen Bestätigung auf dem Smartphone. Das sagt nicht irgendein alter Sack, der auf „die jungen Leute heutzutage“ schimpft. Es ist vielmehr gut erforschter Konsens in der Welt des Marketings. Dass man Millennials innerhalb der ersten paar Sekunden packen muss, damit sie nicht sofort wieder weg sind, gilt als Grundannahme, wenn man versuchen will, diese Generation irgendwie mit seinen Produkten oder Botschaften zu erreichen.
Für Alfie Templeman und Forever Isn’t Long Enough ist das aus zwei Gründen wichtig. Erstens gehört der 18-Jährige selbst zu dieser Generation, und er scheint um die Herausforderung zu wissen, seine Altersgenoss*innen für längere Zeit in seinen Bann zu ziehen. Deshalb hat er ein Minialbum gemacht statt eines regulären Longplayers. Zweitens hat er selbst das Marketing-Klischee widerlegt, denn in den darauf enthaltenen acht Tracks stecken sehr viel Disziplin, Ausdauer und Liebe zum Detail.
„Ich wollte eine raffinierte und fokussierte Pop-Platte machen – etwas, das breiter ist als eine EP, aber prägnanter als ein ganzes Album – mit einem Gefühl irgendwo zwischen Fleetwood Mac’s Rumours und Tame Impala’s Currents. Bei der Arbeit an Forever Isn’t Long Enough habe ich gemerkt, dass ich etwas langsamer machen und sorgfältig an den Dingen arbeiten muss. Die einzelnen Songs der Platte dauerten zwischen einem Tag, vier Monaten und zwei Jahren, bis sie fertig waren. Aber ich habe dafür gesorgt, dass jeder einzelne perfekt war, und ich war noch nie so stolz darauf, wie sie alle geworden sind“, sagt der junge Mann aus Bedfordshire.
Die Millennial-untypische Mühe hat sich ausgezahlt: Das Minialbum ist ebenso überzeugend wie vielfältig. Den Auftakt macht Shady als Anleitung zur Selbsthilfe. An dem ziemlich spektakulären Groove, der nicht so sehr durch Wucht entsteht, sondern durch Finesse, hat Tom McFarland (Jungle) mitgebastelt. Das folgende Wait, I Lied ist wie viele der hier enthaltenen Songs tanzbar, leichtfüßig und elegant – wie eine coole, Street-smarte Variante von Jamiroquai. Auch To You ist sehr prototypisch für seinen Sound, hätte aber (ausgerechnet) eine Minute kürzer sein können, weil es zum Schluss zwar noch Soundspielerein gibt, aber keine Ideen mehr.
Der einzige echte Schwachpunkt ist Hideaway, das trotz der ganz am Ende inszenierten Spontaneität etwas kalkuliert wirkt. Dem stehen aber viel Volltreffer gegenüber wie Everybody’s Gonna Love Somebody, das Alfie Templeman komplett in Eigenregie in seinem Schlafzimmer erschaffen hat. Er hat sich dabei nach eigenen Angaben von Everybody Wants To Rule The World von Tears For Fears inspirieren lassen, und der dabei entstandene, etwas dezentere Sound verleiht dem Track große Souveränität.
Im Titelsong Forever Isn’t Long Enough reflektiert Alfie Templeman über die Lungenkrankheit, die er schon seit frühester Kindheit hat, und einen damit zusammenhängenden Krankenhausaufenthalt im vergangenen Jahr. Die Musik dazu findet eine schöne Schnittmenge aus Pop und Funk, das könnte man sich hierzulande auch gut von Leoniden vorstellen, auch wenn die sicher mehr Leidenschaft in den Gesang legen würden. Bei Film Scene Daydream könnte man glauben, Michael Jackson hätte wenigstens heimlich in seiner Jugend ab und zu Rockmusik gehört.
One More Day beschließt das Minialbum als sexy Ballade mit gesanglicher Unterstützung von April, wobei nicht nur RnB erkennbar wird, sondern in der Piano-Passage sogar ein paar Jazz-Einflüsse. „One More Day ist der subtilste Song auf der Platte. Ich wollte etwas machen, das sich wie der Soundtrack zu einem Sonnenuntergang anhört. April hat den Song zu etwas ganz Besonderem gemacht, ihre Strophe und ihre Harmonien haben den Track wirklich ergänzt und helfen einem, den Kontext klar zu erkennen“, sagt Alfie Templeman. Womöglich hat er mit seiner 21-jährigen Duettpartnerin also gleich den nächsten Millennial davon überzeugt, dass es sich lohnt, auch mal ein bisschen länger fokussiert zu bleiben.