Autor | Erich Fromm |
Titel | Die Kunst des Liebens |
Verlag | Manesse |
Erscheinungsjahr | 1956 |
Bewertung | ***1/2 |
Mein Gott, die Liebe. Überall ist sie. Das Fernsehen liebt es, uns zu unterhalten. Aus dem Radio kommt ein Liebeslied. Und in den SMS von jungen Menschen wird mit Abkürzungen wie „hdgdl“ die selige Botschaft tausendfach verbreitet.
Genau dies ist natürlich die Liebe, die Erich Fromm nicht meint. Er betont das immer wieder, doch schon mit einem einzigen, entwaffnenden Satz macht er es klar. Liebende meinen, sagt er, „heftig verliebt und ‚verrückt nacheinander‘ zu sein, sei der Beweis für die Intensität ihrer Liebe, während es vielleicht nur beweist, wie einsam sie vorher waren.“ Fromm meint nicht den Eifer, das Flüchtige, das Unwiderstehliche. Er meint die echte, die wahre, die gekonnte Liebe.
Natürlich klingt das ein bisschen altbacken und neunmalklug (und gelegentlich stört hier der Tonfall des Autors, der die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben scheint und zwar eine sehr scharfsinnige Analyse der menschlichen Psyche und, mehr noch, der gesellschaftlichen Entwicklung und der Probleme, die dadurch für das Miteinander entstehen, liefert, doch als Lösung nicht viel mehr als Allgemeinplätze äußert), doch der Hinweis, dass man die Liebe lernen muss, üben muss wie ein Handwerk, wie eine Kunst, ist allein die Lektüre dieses Besinnungsaufsatzes wert.
„Jemanden zu lieben, ist nicht nur ein starkes Gefühl, es ist auch eine Entscheidung, ein Urteil, ein Versprechen. Wäre die Liebe nur ein Gefühl, so könnte sie nicht die Grundlage für das Versprechen sein, sich für immer zu lieben. Ein Gefühl kommt und kann auch wieder verschwinden. Wie kann ich behaupten, die Liebe werde ewig dauern, wenn nicht mein Urteilsvermögen und meine Entschlusskraft beteiligt sind?“ Das Problem ist nur: Wenn man auf dem Weg zu diesem Sich-Entscheiden-Können, zu diesem Sich-Zueinander-Bekennen-Können so viel lernen und üben muss, dann geht das immer auf Kosten eines anderen Menschen.
Beste Stelle: „Liebe ist nur möglich, wenn sich zwei Menschen aus der Mitte ihrer Existenz heraus miteinander verbinden, wenn also jeder sich selbst aus der Mitte seiner Existenz heraus erlebt. Nur dieses ‚Leben aus der Mitte‘ ist menschliche Wirklichkeit, nur hier ist Lebendigkeit, nur hier ist die Basis für Liebe. Die so erfahrene Liebe ist eine ständige Herausforderung; sie ist kein Ruheplatz, sondern bedeutet, sich zu bewegen, zu wachsen, zusammenzuarbeiten. Ob Harmonie waltet oder ob es Konflikte gibt, ob Freude oder Traurigkeit herrscht, ist nur von sekundärer Bedeutung gegenüber der grundlegenden Tatsache, dass zwei Menschen sich vom Wesen ihres Seins her erleben, dass sie miteinander eins sind, anstatt vor sich selber auf der Flucht zu sein. Für die Liebe gibt es nur einen Beweis: die Tiefe der Beziehung und die Lebendigkeit und Stärke in jedem der Liebenden. Das allein ist die Frucht, an der die Liebe zu erkennen ist.“