Amber Arcades Barefoot On Diamond Road Review Kritik

Amber Arcades – „Barefoot On Diamond Road“

Künstler*in Amber Arcades

Amber Arcades Barefoot On Diamond Road Review Kritik
Annelotte de Graaf, hier eindeutig nicht barfuß.
Album Barefoot On Diamond Road
Label Fire Records
Erscheinungsjahr 2023
Bewertung

Ich habe gerade nachgeschaut. Links vom Schrank unter dem Waschbecken sind welche. Außerdem zwischen zwei der Lampen-Strahler und der Zimmerdecke. Und wahrscheinlich auch hinter der Waschmaschine, wenn ich mich trauen würde, dort hinzukriechen.

Wovon ich rede? Von Spinnweben im Badezimmer. Warum das wichtig ist für Barefoot On Diamond Road, das dritte Album von Amber Arcades? Weil es in Water Stains, dem vierten Lied dieser Platte, einen Refrain gibt, der mit „I found a spider web in the bathroom“, beginnt. Und diese Zeile zeigt, dass die Niederländerin Annelotte de Graaf, die hinter diesem Projekt steckt, die Inspiration für ihren „wehmütigen, glühenden Dream-Pop“ (The Guardian) an den ungewöhnlichsten Orten finden kann.

„Diese Platte offenbart so tief wie nie zuvor Teile von mir und meiner Beziehung zum Dasein als Musikerin und zum Musikmachen. Es ist wie eine Rechenschaft, aus dem Moment heraus. Es geht um die Erkenntnis, wie wichtig es ist, Dinge aus den richtigen Gründen zu tun, und wie das deinen Prozess in einen verwandeln kann, der alles umarmt, was existiert, einschließlich dich selbst“, sagt die Niederländerin zu dieser Platte, die mit Produzent Ben Greenberg entstanden ist, der schon bei ihrem Debüt Fading Lines (2016) dabei war.

Man hört diese Hingabe in den spektakulären Streichern und den hoch interessanten Percussions von Odd To Even ebenso wie in der tollen Dramaturgie von Songs wie Through. Genauso gilt das für reduziertere Momente der Platte wie Life Is Coming Home, das nur aus (reizvoll verfremdetem) Gesang besteht, oder dem Schlusspunkt You Could Never Let Me Down, der nur Klavier und die Stimme von Annelotte de Graaf braucht, um sehr intensiv zu werden.

Die zweite überraschende Eigenschaft (neben dem Spinnweben-Effekt) von Barefoot On Diamond Road offenbart sich bei einem Blick auf den Hintergrund der Künstlerin. De Graaf hat mehrere Jura-Examen und ist neben der Karriere als Amber Arcades am internationalen Strafgerichtshof in Den Haag tätig. Das könnte beim Blick auf ihre Musik kaum überraschender sein. Man darf davon ausgehen, dass es vor Gericht um die Unterscheidung von Lüge und Wahrheit geht, von Täuschung und Fakt. Bei Amber Arcades findet sich indes nichts von dieser Strenge der Empirie, im Gegenteil: Die Lieder klingen immer wieder entrückt und haben einen fast magischen Effekt: „Viele Leute haben mir gesagt, dass sie beim Hören meiner Songs eine seltsame Mischung aus melancholischen und glückseligen Gefühlen gleichzeitig empfinden“, erzählt de Graaf, die ihren Künstlernamen bezeichnenderweise einem Märchen von Godfried Bomans entliehen hat.

Man kann das schon in Diamond Road als Auftakt des Albums gut nachvollziehen. Eine Harfe, die helle Stimme und auch der Hang zur Selbstkasteiung („What good is a life spent chasing a storm in my blood?“) in der Strophe lassen an A-Camp denken, im üppig instrumentierten Refrain verwandelt sich das Stück aber in einen wehmütigen Walzer. In Just Like Me ist es nichts weniger als famos, wie sie eine sehr prominente E-Gitarre mit den undefinierbaren elektronischen Sounds kombiniert, die den Rest der Musik bilden. Bei True Love erkennt man gut, wieso ihre Musik schon mit Portishead verglichen wurde, obwohl hier auch eine Kraft spürbar ist, die eher zu Garbage passen würde.

Die Reibung aus Zerbrechlichkeit und Macht zeichnet Barefoot On Diamond Road immer wieder aus. So regieren Unruhe und Unzuverlässigkeit in I’m Not There, vielleicht durch Schlaflosigkeit, vielleicht durch die Erfahrung, schon so oft enttäuscht worden zu sein, und am Ende wird das Stück richtig heavy. Contain ist überaus soft und sinnlich in der Strophe, im Hintergrund der Zeile „Maybe I can contain myself“ im Refrain lauert allerdings, wie so oft auf dieser Platte, ein Donnergrollen.

So kling Just Like Me von Amber Arcades.

Website von Amber Arcades.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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