Die Idee ist nicht neu. Schon Willy Brandt zählte Ingenieure und Facharbeiter zur roten Klientel. Gerhard Schröder wollte die SPD in die „neue Mitte“ rücken. Nun hat Kurt Beck die Mittelschicht entdeckt. Dass er nun ganz offen um die – wie er völlig zu Recht anmerkt – vernachlässigten Leistungsträger der Gesellschaft buhlt, ist erstaunlich. Wenn Beck nicht nur auf bessere Umfrageergebnisse durch ein paar flotte Schlagworte schielt, dann ist sein Programm ein Angriff von links auf die Stammwählerschaft der Union und sogar der FDP.
Beck gibt damit sozialdemokratische Grundpositionen auf. Seine Pläne bedeuten einen Bruch mit der Tradition als sozial orientierte Arbeiterpartei – und dürften bei einigen Genossen und vor allem bei den Gewerkschaften für reichlich Ärger sorgen. Doch aus Sicht des Parteichefs ist der Blick in die Mitte richtig. Denn auch die SPD wird von links attackiert: Als Partei der kleinen Leute, als Kämpfer gegen die Bonzen, als Robin Hood der Ausgebeuteten geriert sich die Linkspartei längst überzeugender.
Gegen die Scharlatanerie von Lafontaine & Co. hat die moderne Sozialdemokratie derzeit kein Konzept – auch deshalb rutscht Beck nun nach rechts. Möglicherweise ist ihm nicht klar, dass er damit in letzter Konsequenz das solidarische Prinzip aufgibt, dass auch der etwas zählt, der weniger leistet. Vielleicht ahnt Beck auch nicht, dass er mit seinem neuen Kurs weite Teile seiner Anhängerschaft der Linkspartei preisgibt.
Doch zumindest weiß er, dass sich mit deren Konzepten die Probleme des 21. Jahrhunderts nicht bewältigen lassen. Die Seriosität – zumal einer Regierungspartei – gebietet es, nach neuen Wegen zu suchen. Zumindest ein Nachdenken über Kapitalbeteiligungen für Arbeitnehmer kann dabei ein richtiger Schritt sein. Die Seriosität gebietet es aber ebenso, den Worten auch Taten folgen zu lassen. Denn die bisherige Politik von Schwarz-Rot stellt beinahe das Gegenteil dessen dar, was Beck propagiert. Von Entlastungen für Arbeitnehmer ist zumindest nichts zu erkennen. Stattdessen erwarten die „Leistungsträger“ höhere Krankenkassenbeiträge, höhere Mehrwertsteuer, höhere Kosten für die Altersvorsorge. Wenn Beck seiner neuen Zielgruppe wirklich „wieder etwas geben“ will, dann könnte er mit dem Überschuss der Bundesagentur für Arbeit gleich anfangen.