Künstler*in | Antilopen Gang | |
Album | Antilopen Geldwäsche Sampler 1 | |
Label | Antilopen Geldwäsche | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Bewertung |
Dr. Dre hat Aftermath. P Diddy hat Bad Boy. Kanye hat G.O.O.D. Music, Jay-Z hat Roc Nation, Eminem hat Shady Records. Ab einem gewissen Erfolgslevel gehört es im Rap offensichtlich dazu, ein eigenes Label zu gründen. Das Ziel ist dann häufig: Der eigene Status wird noch sichtbarer und der Profit mit der eigenen Musik wird gesteigert, weil man Einnahmen nicht mehr mit einer externen Plattenfirma teilen muss.
Auch Koljah, Panik Panzer und Danger Dan, die Mitglieder der Antilopen Gang, sind mittlerweile in dieser Liga angekommen. Schon ihr 2020er Album Adenochrom ist bei der bandeigenen Plattenfirma mit dem schönen Namen „Antilopen Geldwäsche“ erschienen, ebenso im vergangenen Jahr Danger Dans Nummer-1-Album Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt. Es läuft also ganz gut für die junge Firma und auf den ersten Blick könnte man meinen, sie hätten jetzt ein bisschen Lust bekommen, mit dem geschäftlichen Erfolg zu prahlen. „Ich habe Feuer gemacht / dann kam der Erfolg über Nacht / ich bin mein eigener Chef / keiner mischt mit in meinem Geschäft“, lässt uns Panik Panzer hier in DIY CEO wissen. Im programmatischen Titelsong Antilopen Geldwäsche ist zu einem ziemlich spektakulären Dicke-Hose-Sound von „Einnahmen wie Kleinstaaten“ die Rede.
Doch natürlich hat diese pünktlich zum Heiligabend erscheinende Platte einen ganz anderen Zweck. Zum einen ist sie offensichtlich ein Geschenk an die Fans, zum anderen pflegt die Antilopen Gang hier die im HipHop ebenso übliche Tradition der Labelcompilation als Leistungsschau, auf der neben ein paar eigenen Beiträgen auch die Kumpels glänzen dürfen. Nicht zuletzt zeigt der Antilopen Geldwäsche Sampler 1, dass die Sache mit der eigenen Plattenfirma hier keineswegs wegen Macht, Materialismus oder Margen entstanden ist: Das Label verspricht dem Trio zwar mehr Kontrolle und mehr Gewinn, vor allem aber: vollkommene Narrenfreiheit – und davon machen sie hier reichlich Gebrauch.
Das führt manchmal zu irritierenden Beträgen wie dem Mallorca-Schlager-Abriss Bin ich erst mal blau von Die Rheinischen Frohnaturen oder Koljahs nicht nur im Titel provozierenden Nazis rein. Er durchpflügt darin schonungslos den Nährboden, auf dem sich die politische Rechte hierzulande wieder formieren kann – inklusive der Fehler und Lebenslügen all derer, die sich auf der richtigen Seite wähnen. „Was sollen die Nazis raus aus Deutschland? / was hätte das für einen Sinn? / die Nazis können doch nicht raus / denn hier gehören sie hin“, hat er erkannt. Mit Bau es auf findet sich auf der Compilation sogar ein Track von NMZS, dem Mitglied, das die Antilopen Gang durch Selbstmord verloren hat. Das klingt besonders tragisch, weil er hier seine Depression thematisiert und dabei auch zeigt, wie wenig Verständnis er dafür fand.
Der Beitrag von NMZS ist auch deshalb bezeichnend, weil sein Tod 2013 in der fast 20-jährigen Geschichte dieser Band so etwas wie eine Wegscheide darstellt: vorher Underground, danach Höhenflug. Diese Trendwende lag auch an der zu dieser Zeit beginnenden Zusammenarbeit mit JKP, dem Label der Toten Hosen, das die Antilopen Gang bei Aufstieg und Professionalisierung unterstützt hat, ohne dass jemand ihnen den Anarcho-Geist hätte austreiben können. Der Abschied von JKP ist also auch ein Schließen des Kreises, denn Antilopen Geldwäsche ist nun so etwas wie DIY für Fortgeschrittene.
Das wird auf dieser Compilation sowohl für neues Material der Gang genutzt als auch für Features und Gastbeiträge. Im Prinzip ist der Antilopen Geldwäsche Sampler 1 nicht weit weg von einem regulären neuen Album des Trios, wenn auch nicht ganz auf diesem Niveau. Ein Track wie Uns und denen, mit dem sie sowohl ihre Ausnahmestellung als auch ihre Außenseiterposition zelebrieren, hätte man sich auch da als Opener vorstellen können. Das gilt auch für den etwas klamaukigen SPD-Disstrack Wer hat uns verraten, in dem die Parteimitglieder entweder verurteilte RAF-Terroristen sind oder direkt aus dem multiplen Drogenrausch kommen – und für niemanden davon wird der Weg zu den Sozialdemokraten als Aufstieg empfunden. Indem die Solosongs von Danger Dan, Koljah und (erstmals auch) Panik Panzer auch als solche gekennzeichnet sind, wird aber zugleich noch deutlicher, welchen individuellen Beitrag diese drei Charaktere zum Gesamtergebnis leisten und wie vielseitig die Antilopen Gang gerade deshalb ist.
Danger Dan zeigt sich hier wieder als der nachdenkliche Typ am Klavier, einmal besingt er so den Alkoholismus als Mittel gegen Weltschmerz (Filmriss), einmal gemeinsam mit Max Herre die Geborgenheit, die durch die Loyalität der Leute entsteht, zu denen man immer kommen kann, egal wie lange die letzte Begegnung her ist und wie oft/selten man sich in der Zwischenzeit gemeldet hat. Kneipenschlägerei (mit Maeckes & Koljah) ist wuchtiger im Sound, aber ebenfalls reflektierend im Text. Es geht darin um die ungesunde Suche nach dem Kick und einen Hang zur Selbstzerstörung, der mitunter nicht einmal mehr aus echter Verzweiflung erwächst, sondern aus dem Versuch, irgendwie aus Trott und Routine auszubrechen.
Koljah liefert zudem mit Bobby Fletcher in 10 von 10 ein dank der Samples sehr elegantes Hochlied auf die Prokrastination ab. Panik Panzer protzt mit Fatoni ein bisschen in Sí claro, das neben einem Killer-Bass mit „Du bis anti alles / ich bin Prosecco“ eine der besten Zeilen der Platte enthält. Noch aggressiver wird Auf sie mit Gebrüll (feat. Zugezogen Maskulin), das die moralischen Widersprüche von Pseudo-Rebellion aufzeigt. Ganz am Ende des Antilopen Geldwäsche Sampler 1 gibt es mit Wünsch dir was eine bislang unveröffentlichte und äußerst ungestüme Liveaufnahme der Toten Hosen – wohl auch als Beweis dafür, dass die beiden Bands (und die beiden Unternehmen) weiter freundschaftlich verbunden sind.