Archive – „Axiom“

Künstler Archive

Archive Axiom Review Kritik
„Axiom“ gibt es als Platte und als Film.
Album Axiom
Label Dangervisit
Erscheinungsjahr 2014
Bewertung

„Jedes Mal, wenn wir ein Album machen, sagt uns jemand, es klinge wie der Soundtrack zu einem Film, der nie gemacht wurde“, sagt Darius Keeler, einer der beiden Köpfe von Archive neben Danny Griffiths, über Axiom. „Diesmal haben wir uns entschieden, den Film eben zu machen. Den Wunsch, unsere Musik mit dem Prozess des Filmemachens zu verbinden, hegen wir schließlich auch selbst schon lange.“ Das neunte Studioalbum des Kollektivs aus London wird also tatsächlich begleitet von einem 40-minütigen Kurzfilm des spanischen Filmemacher-Kollektivs NYSU, der im Mai 2014 in die Kinos kam und zudem auf DVD veröffentlicht wurde. „Archive haben ein großartiges Album produziert, das für uns wie ein Drehbuch funktioniert“, erzählt Regisseur Jesus Hernandez über die Entstehung des Films. „Wir haben unsere Rolle betrachtet, als sollten wir so etwas wie einen visuellen Soundtrack zu dieser Musik komponieren. Die Herausforderung bestand darin, das Drehbuch der Band in Bilder zu übersetzen. Das ist das spannendste Projekt, an dem wir je beteiligt waren.“

Den wahren Charakter von Axiom kann man also am besten erkunden, wenn man den Film schaut. Archive haben die Kombination aus beiden Werken auch mehrfach live präsentiert. Doch selbst ohne visuelle Unterstützung ist klar, dass man es hier nicht mit einem regulären Album wie beispielsweise dem Vorgänger With Us Until You’re Dead (2012), sondern mit einem besonderen Werk zu tun hat. Die Platte enthält sieben Tracks, die ineinander über gehen. Distorted Angels macht den Auftakt mit Streichern, einer sehr warmen, sehr prominent platzierten Stimme und einem Gefühl von heraufziehender Kälte und Angst.

Das zentrale Stück ist der Titelsong Axiom, der von Glockenschlägen eingeläutet wird, bevor sich Keyboards (kühl und etwas bedrohlich wie bei John Carpenter) und später noch E-Gitarren hinzugesellen. „Die Glocken der Kirche in Greenwich aufzunehmen, hat in gewisser Weise den Ball ins Rollen gebracht. Letztlich war das der Beginn von Axiom”, erinnert sich Darius Keeler an den Sound, der diesen Track so deutlich prägt. „Wir wussten gar nicht genau, was wir damit im Sinn hatten, als wir das Glockenläuten aufgenommen haben – aber irgendwie haben wir geahnt, dass es eine wichtige Rolle bei der Entstehung des neuen Albums spielen würde. Die Musik stand diesmal am Anfang, alles lief völlig reibungslos, indem eine Idee einfach die nächste Idee zur Folge hatte, ein Sänger den nächsten Sänger ergab. Es ist eine musikalische Reise mit einem klaren Anfang und klaren Ende, aber man kann sicher auch einzelne Teile herausziehen, die man als Songs betrachten könnte.“

Ganz am Ende sind die Glocken in Axiom (Reprise) noch einmal zu hören, begleitet von sehr unbarmherzigen Trommeln und einer Synthie-Armada. Zuvor erleben wir in Baptism eine mindestens halbkaputte Stimme, die „send me under“ eher schreit als singt, sodass man bezweifeln darf, dass diese Worte auf eine Taufe bezogen sind, und in Transmission Data Terminate ein spannendes Schlagzeug und gleich zwei sehr eindrucksvolle Sänger, als letztes zusätzliches Element dann einen Dub-Bass – früher hätte man wohl „TripHop“ dazu gesagt. The Noise Of Flames Crashing setzt fast nur auf mehrstimmigen Gesang und Klavier, lediglich ein paar elektronische Störgeräusche verhindern, dass der Track beschaulich wird. Shiver hat ein beinahe ungeduldiges E-Piano und eine sehr schöne, bittersüße Stimme, später fügen Archive einen federnden Beat und eine zurückhaltende E-Gitarre hinzu. Das im Titel des Songs erwähnte Erzittern scheint aus der erschreckenden Erkenntnis zu kommen, dass wir letztlich ganz alleine sein könnten auf der Welt.

Insgesamt ist das nicht nur ambitioniert, sondern auch gelungen und letztlich sehr charakteristisch für den Ansatz von Archive: Sie verstehen es auch auf Axiom, Orchester und Elektronik zu vereinen und schaffen dabei Musik, die zugleich ursprünglich und progressiv ist.

Hier gibt es den kompletten Axiom-Film von NYSU.

Website von Archive.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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