Für sehr viel Geld produzieren ARD und ZDF sehr viel Mist. Sie schotten sich ab, verbrüdern sich mit der Politik und werden immer gieriger. Das ist die Quintessenz von Die Nimmersatten, dem neuen Buch von Hans-Peter Siebenhaar. Der Journalist, Jahrgang 1962, ist promovierter Politikwissenschaftler. Während des Studiums arbeitete er als freier Mitarbeiter für den Bayerischen Rundfunk. Seit 2000 ist er als Medienexperte beim Handelsblatt tätig und beobachtet in dieser Funktion intensiv das Geschehen bei ARD und ZDF. Im Interview redet der GEZ-Kritiker Klartext.
Wenn ARD und ZDF Sie zum gemeinsamen Chef für beide Anstalten machen würden: Welche Sendungen würden Sie sofort einstellen?
Hans-Peter Siebenhaar: Ich würde alle Sendungen einstellen, die nicht mehr sind als eine billige Kopie aus dem Privatfernsehen. ARD und ZDF müssen anspruchsvolle Unterhaltung liefern. Dafür erhalten sie vom Bürger sehr viel Geld.
Und welche Formate würden Sie vermissen, wenn es das öffentlich-rechtliche Fernsehen morgen nicht mehr gäbe?
Siebenhaar: ARD und ZDF haben eine Reihe von Formaten geschaffen, die Maßstäbe setzen. In der Unterhaltung sind das beispielsweise Tatort und Wetten, dass…?, in der Information Tagesschau und heute journal.
In Ihrem Buch listen Sie einen ganzen Katalog von Missständen bei ARD und ZDF auf. Was sind die drei größten Probleme?
Siebenhaar: Erstens: die mangelnde Transparenz bei den Ausgaben im weit verzweigten Reich der Anstalten. Zweitens: der Einfluss der Parteien auf ARD und ZDF sowie die mangelnde Bürgerbeteiligung. Und drittens: Vetternwirtschaft, Korruption und Ineffizienz.
Könnte es mit Hinblick auf die fehlende Transparenz hilfreich sein, die Gehälter aller Mitarbeiter im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu veröffentlichen, wie unlängst gefordert wurde?
Siebenhaar: Es müssen nicht alle Gehälter sämtlicher Mitarbeiter offen gelegt werden, sondern nur die der Top-Verdiener. Der Gebührenzahler hat ein Recht zu erfahren, wie es um die Bezahlung von Intendanten, Direktoren und Moderatoren steht, wie viel Produzenten und Regisseure verdienen. Nur Transparenz schafft Vertrauen. Genau das haben ARD und ZDF durch ihre jüngsten Skandale verspielt.
Wenn sich nichts ändert im chaotischen System und an der Unzufriedenheit der Zuschauer: Wann ist nach Ihrer Einschätzung der Punkt erreicht, an dem die Gebührenfinanzierung grundsätzlich infrage gestellt werden wird?
Siebenhaar: Aus den Reaktionen auf mein Buch Die Nimmersatten weiß ich, dass ARD und ZDF in weiten Teilen der Gesellschaft längst den Rückhalt verloren haben. Vor allem Menschen unter 60 Jahren sehen das System von 22 Fernsehsendern und 67 Radioprogrammen sehr kritisch. Wenn der Luxusliner ARD/ZDF nicht den Kurs ändert, läuft er auf einen Eisberg auf wie einst die «Titanic».
In Die Nimmersatten kritisieren Sie auch die Passivität der Zuschauer angesichts der Zustände bei ARD und ZDF. Was sollte das Publikum Ihrer Ansicht nach tun, um für besseres Fernsehen und bessere Strukturen zu kämpfen?
Siebenhaar: Der einzelne Bürger kann im derzeitigen System wenig tun. Denn die Parteien behandeln ARD und ZDF wie ihr Eigentum. Das zeigt die jüngste Diskussion um die Einflussnahme der CSU auf ZDF und Bayerischen Rundfunk mustergültig. Was wir brauchen, ist ein massiver öffentlicher Druck, damit die Politik endgültig das aus den Fugen geratene System von ARD und ZDF grundlegend reformiert. Der Bürger muss seinen Unmut zum Ausdruck bringen.
Die Insolvenz der Frankfurter Rundschau wird gerade als möglicher Startschuss zum großflächigen Zeitungssterben in Deutschland diskutiert. Macht das den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht umso wichtiger, um unabhängigen, hochwertigen Journalismus sicherzustellen?
Siebenhaar: Es gehört zu den Eigenheiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, dass die 25.000 festangestellten Mitarbeiter und die Zehntausenden von freien Mitarbeitern in den vergangenen Jahren keine der großen Skandale aufgedeckt haben. Einer der Gründe dafür ist, dass die Parteien die Anstalten im Schwitzkasten haben. Führungspositionen werden parteipolitisch durchdekliniert. Mit der Unabhängigkeit ist es daher nicht so weit her. Das Ergebnis: Investigativer Journalismus spielt in den Anstalten im Vergleich zu Zeitungen und Magazinen eine sehr bescheidene Rolle.
Wie stehen Sie zur Forderung, das öffentlich-rechtliche Fernsehen komplett werbefrei zu machen?
Siebenhaar: Die Bürger finanzieren mit über 7,5 Milliarden Euro jährlich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Sie haben ein Recht auf werbefreies Fernsehen. In Frankreich und Spanien ist das längst der Fall. Mit einem Verzicht auf Werbung könnten sich ARD und ZDF noch besser von der privaten Konkurrenz unterscheiden.
Wie hoch ist in Ihren Augen die Wahrscheinlichkeit, dass Günther Jauch demnächst eine seiner Talkshows am Sonntag unter das Thema «Gebührenwahnsinn» stellt? Und würden Sie kommen, wenn er Sie einlädt?
Siebenhaar: Die Wahrscheinlichkeit geht gegen Null. Ich erwarte, dass ARD und ZDF Die Nimmersatten totschweigen werden. Wann man mich einlädt, würde ich das Angebot natürlich annehmen und über das nimmersatte System ARD und ZDF diskutieren.
Man merkt Ihrem Buch immer wieder an, wie schwierig es war, bei der Recherche an Details, vor allem an Zahlen zu kommen. Gab es einmal einen Moment, in dem Sie das Projekt aufgeben wollten angesichts so vieler zugeschlagener Türen?
Siebenhaar: Die Recherche war tatsächlich schwierig und aufreibend. Denn die Intransparenz ist Teil des öffentlich-rechtlichen Systems. Das läuft man schon mal gegen Wände. Doch ich gehöre nicht zu der Art von Autoren, die bei Widerständen aufgibt.
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