Künstler*in | Barzin | |
Album | Voyeurs In The Dark | |
Label | Monotreme Records | |
Erscheinungsjahr | 2022 | |
Bewertung | Foto oben: (C) Monotreme Records |
Eine geheimnisvolle Frau, die durchs Rotlichtmilieu wandert. Heimliche Kameraaufnahmen, ein verirrter Fuchs, der Blick durch beschlagene Scheiben auf Leuchtreklamen. Das sind ein paar der Szenen aus dem Videoclip zu Voyeurs In The Dark, dem Titelsong des heute erscheinenden fünften Albums von Barzin. Sie lassen, untermalt von den sanften Klängen des unter anderem auf eine sehr reizvolle spanische Gitarre setzenden Lieds, beinahe den Eindruck eines Mini-Detektiv-Krimis aus dem Film noire entstehen, und das ist durchaus bezeichnend. Denn der Künstler aus Toronto, der seit 1995 aktiv ist und 2003 sein Debütalbum vorgelegt hatte, erweitert hier seine Sound-Palette deutlich. Und das liegt unter anderem daran, dass sich Barzin nach dem letzten Studioalbum To Live Alone In That Long Summer (2014) vermehrt mit Filmmusik beschäftigt und beispielsweise den Soundtrack zu Viewfinder komponiert hat.
Die klangliche Vielfalt, die er dabei eingesetzt hat, lässt er nun auch in sein eigenes Werk einfließen. Vier Jahre hat er an Voyeurs In The Dark gearbeitet, das neben sieben „regulären“ Songs mit Born Yesterday, Golden Stairs, Impossible Voice und Forever Arriving auch vier instrumentale Skizzen enthält, die eindeutig auch als Titelmelodie oder Soundtrack-Sequenz funktionieren würden. Der Album-Schlusspunkt Distant Memories lässt sich genau zwischen diese Polen ansiedeln: Auch dieses Stück kommt ohne Gesang aus, ist aber voll ausgearbeitet und würde mit seinem Ambient-Klavier und den modernen Streichern beispielsweise auch zu Jon Hopkins passen.
To Be Missed In The End kann man sich wie eine extrem kontemplative Variante von Travis vorstellen: Barzin singt darin nach eigenem Bekunden unter anderem für die „losers in the game of love“, und so verwundet und romantisch klingt dieser Song auch. Watching hat etwas mehr Fokus auf den Rhythmus und auch etwas mehr Schwung als die anderen Stücke, was den Gedanken aufwirft: Vielleicht würden die Dire Straits nach einer sehr entspannten Karibik-Kreuzfahrt so klingen. I Don’t Want To Sober Up rückt unter anderem durch die Streicher in die Nähe von kunstvoller Schwermut à la Tindersticks.
Das Klavier sorgt in Knife In The Water für Struktur, Größe und auch Schwere, das Besenschlagzeug und die verspielte E-Gitarre deuten Leichtigkeit an, und dieser Gegensatz trägt das Lied. It’s Never Too Late To Lose Your Life wird von seinem ungewöhnlichen Takt und dem Saxofon ins Reich des Jazz geholt und zeigt damit vielleicht am deutlichsten, wie weit der musikalische Horizont dieser Platte ist. Letztlich demonstriert Barzin mit Voyeurs In The Dark das, was auch auf dem Albumcover zu sehen ist: In einem Körper können viele Geister und Gesichter stecken – und in einem Künstler deutlich mehr als nur ein Sound.