Länderspiele gegen Polen und viel zu viel Regen? Da war doch was! Genau: 1974 sorgte eine Sintflut für die legendäre Wasserschlacht im Frankfurter Waldstadion. Am Ende war Müller der Retter für Deutschland – und die Mannschaft zog ins WM-Finale ein.
Diesmal hat der heftige Niederschlag einen Übertragungswagen des ZDF geflutet. Weil sich Strom und strömender Regen nicht so gut vertragen, gab es gegen Mittag einen Kurzschluss, der das teure Gefährt in Brand setzte. Ein interessantes Länderspiel aus Danzig wurde trotzdem gezeigt. Am Ende war Müller der Retter für Deutschland – und die DFB-Elf bleibt unter Bundestrainer Joachim Löw auswärts weiter ungeschlagen.
Vor dem Anpfiff im EM-Stadion in Danzig zeigt das ZDF dramatische Bilder vom ausgebrannten Ü-Wagen. Qualm steigt auf, die Feuerwehr stürzt sich wagemutig in die Gefahr – fast meint man, versehentlich in eine 9/11-Doku geraten zu sein. Ein verschmortes Pult, das einst für die Tonregie benutzt wurde, sieht hingegen so aus, als hätte Axl Rose einen Ausraster bei seinen ausufernden Plattenaufnahmen gehabt. Oder war gar Rolf Töpperwien samt einer Flasche Strohrum in der Nähe?
Kurz darauf sind dann aber wieder Experte Oliver Kahn und Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein im Bild. Nach dem Feuer in Danzig sind sie in Rekordgeschwindigkeit ins Studio nach Mainz zurückgekehrt (nicht umsonst trägt die Moderatorin die Initialen KMH), wo sie nun mit Bildern von prügelnden Hooligans und unfertigen Autobahnen ein paar Polen-Klischees nähren dürfen. Müller-Hohenstein erklärt das ZDF dank des spontanen Ortswechsels zur «Zentrale der Flexibilität». Kahn benutzt derweil Begriffe wie «self fulfilling prophecy» und spricht wie immer: als hätte er die Weisheit mit Löffeln gefressen, und als erkläre er dieses schwierige Spiel mit den 22 Männern in kurzen Hosen einem Millionenpublikum aus Dreijährigen.
Kommentator Béla Réthy trägt danach zumindest teilweise zum Gelingen dieses Fußballabends bei. Eigentlich ist seine Leistung ähnlich wie die der deutschen Mannschaft: solide, mit etwas Spielfreude, aber einigen Konzentrationsschwächen.
Als sich der Anpfiff um einige Minuten nach hinten verschiebt und dann auch noch zwei polnische Spieler geehrt werden, die nichts mit dieser Partie zu tun haben, ist er zwar einigermaßen ratlos. Aber dann findet Réthy seinen Rhythmus, widmet sich kurz den üblichen Verdächtigen Piszczek, Klose und Podolski, liefert ein paar Hintergründe zum polnischen Trainer und schildert das Geschehen, das nicht im Bild zu sehen ist. Réthy verliert sich erfreulicherweise nicht ständig in Einzelkritik und versucht auch nicht, die unansehnliche zweite Hälfte schönzureden.
Als Deutschland in Rückstand gerät, analysiert er treffend, das Gegentor sei «weniger eine Frage von Qualität als von Passivität» gewesen. Mit dem schönen Gegensatz «Spielt er das Personal ein, oder spielt er das System ein?», fasst er gekonnt das Dilemma des Bundestrainers in den weiteren Spielen bis zur Europameisterschaft zusammen. Und als Schürrle eine Viertelstunde vor Schluss mit links abzieht und nur den Pfosten trifft, wird Béla Réthy sogar kurz emotional: «Boah! Was ein herrlicher Schuss!»
[/textgallery] Genau wie die deutsche Elf leistet sich Réthy aber den einen oder anderen Aussetzer. «Die deutsche Mannschaft steht sehr tief – hoch, würde man im Fachjargon sagen», verhaspelt er sich in der Anfangsphase. «Wiese wird zum ersten Mal aktiver», lautet sein Fehlurteil, als der Torhüter nach 16 Minuten rettet, nachdem er bereits vorher eine Großchance von Peszko vereitelt hatte.
Später muss für die großen Erfolge der Polen in den 1970er Jahren ausgerechnet der dritte Platz bei der EM 1982 herhalten. Kurz vor der Pause sieht der Kommentator sogar eine Großchance von Piszczek, obwohl er doch zuvor erklärt hatte, warum der Dortmunder bis auf Weiteres nicht zum polnischen Kader gehört. Und den Strafstoß, der Polen das 2:1 kurz vor Schluss ermöglicht, kreidet er erst dem «riskanten Spiel des Bremer Schlussmanns» an, um zwei Minuten später «relativ sicher» zu sein, dass man Tim Wiese nicht für den Gegentreffer verantwortlich machen sollte.
Das hat Béla Réthy wohl gemeint, als er einst die Stärken seines ehemaligen Chefs Marcel Reif lobte: «Ironie, Süffisanz und dabei eine hohe Sprachkultur, das war für mich schon vorbildlich.»
Diesen Text samt einer Fotostrecke mit der deutschen Mannschaft in der Einzelkritik und einer Textstrecke mit den besten Sprüchen zum Spiel gibt es auch bei news.de.