Blinker – „Blicke“

Künstler Blinker

Blinker Blicke Review Kritik
Blinker sagt auf „Blicke“, was ist.
EP Blicke
Label Jive
Erscheinungsjahr 2019
Bewertung

„Überlegt, was euch wirklich glücklich macht!“, lautet die Aufforderung von Blinker, nicht nur im Hinblick auf diese EP, sondern offensichtlich als Lebensmotto. Für sich selbst hat der 25-Jährige aus Mannheim das schon umgesetzt und festgestellt: Das ursprünglich eingeschlagene Jurastudium ist der falsche Weg zum Glück. Die Musik indes, die er schon liebte, als er Gitarre- und Schlagzeugspielen erlernte, ist genau das, was er machen möchte. Diese Überzeugung hört man Blicke auf sehr positive Weise an, ebenso wie den Willen, sich und anderen etwas zu beweisen. „Der ewige Gegenwind ist auch Wind“, hat Blinker schon erkannt – und er reagiert darauf, indem er den eigenen Einsatz eben noch ein bisschen erhöht.

Dass er bei der Entscheidung für eine professionelle Musiklaufbahn statt für eine seriöse Karriere als Jurist wohl auch in der eigenen Familie etliche Widerstände zu überwinden hatte, zeigt das erste Lied der EP. Luft erzählt offenkundig von der Rückkehr aus der Studentenbude zu einer maximal spießigen Familienfeier zuhause. Mit Zeilen wie „Fang an zu kehren / es ist noch Platz unter dem Teppich / wenn man’s nicht sehen kann / dann ist es auch nicht dreckig“, drückt Blinker seine eigene Beklemmung ebenso aus wie die Heuchelei derer, die ihn da umgeben. Der Sound dazu passt zum Entschluss, seinen eigenen Weg zu gehen: Es gibt, auch in den vier folgenden Tracks, Sprechgesang, aber die Musik ist weit weg vom üblichen Rap-Sound.

Die Lust auf Melodie und Gesang, die etwa in Broke erkennbar wird, würden auch zu Cro passen, ebenso die Attitüde von „Mach dir keinen Kopf, das wird schon werden“, die (in diesem Fall angesichts chronischer Geldnot) aus Zeilen wie „Was bringt die Rolex, wenn man keine guten Zeiten hat?“ spricht. Mit dem Stuttgarter teilt Blinker auch die Eigenschaft, seine Texte nicht zu verschlüsseln. Er sagt, was ist, und das ist auf Blicke trotzdem viel eher poetisch als plump.

In Strecke machen vereint er Roadmovie und Liebesgeschichte, Rippen brechen wird trotz des brutalen Titels kein brutaler Gangster-Rap, sondern ein Liebeskummer-Lied rund um die Zeile „Du musst Rippen brechen, um mein Herz zu berühren.“ Noch mehr zeigt Strange das Potenzial von Blinker. Es geht in diesem Song um das Wiedersehen mit einem ehemals sehr guten Freund, der plötzlich erstaunlich fremd erscheint. Der Sound ist entsprechend betrübt, die Perspektive ist überraschend vielschichtig: „Du bist nicht nur nicht mehr bei mir, du bist weg“, heißt die Erkenntnis. Der Erzähler ist enttäuscht, aber er akzeptiert die neue Situation. Er klagt nicht an, aber ist auch weit von Gleichgültigkeit entfernt.

Aus so einer Situation einen Track zu machen, der emotional aufrichtig klingt, im Sound interessant und dabei auch noch zugänglich, ist nichts weniger als ein Zeichen von Talent. Die Eltern von Blinker können deshalb wohl beruhigt sein: Seine Entscheidung für diese Musiksache scheint nicht ganz dumm gewesen zu sein.

Wie subtil: Im Video zu Broke sind auch die Spiegel zerbrochen.

Demnächst ist Blinker auf Tour:

10.04.19 Köln – Veedel Club

11.04.19 Berlin – Cassiopeia

12.04.19 Osnabrück – Popsalon Festival

13.04.19 Hamburg – SkyBar

Blinker bei Instagram.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.