Blond – „Trendy“

Künstler Blond

Blond Trendy Kritik Rezension
„Trendy“ ist die zweite EP von Blond.
EP Trendy
Label Atomino
Erscheinungsjahr 2018
Bewertung

„Menschen, die sich auf einem missglückten Abiball wohlfühlen, die mit Interesse beobachten, wie ein Lampionumzug von Rowdies überfallen wird, werden diesen Tonträger mögen und vielleicht sogar trendy finden.“ So beschreiben Blond ihre heute erscheinende zweite EP, und in diesem Zitat sind schon einige der Zutaten enthalten, die das Trio aus Chemnitz so einzigartig machen: Ihre Outfits (zumindest auf der Bühne, in Videos und auf Plattencovern) sehen tatsächlich aus, als hätten sie sich für den Abiball herausputzen wollen, dabei allerdings nichts in der passenden Größe (oder aus diesem Jahrtausend) gefunden. Sie lieben schräge Konstellationen wie die mit dem Lampionumzug (der wohl zudem eine spezifisch ostdeutsche Tradition ist, ebenso wie das Wort „Rowdie“). Und sie haben kein Problem damit, über sich selbst zu lachen.

Blond sind neugierig, geradeaus und hochgradig unbekümmert, nicht nur in der Attitüde, sondern auch im Sound. Auch die Tatsache, dass sich ein verschworenes Trio hier seine ganz eigene Welt geschaffen hat, zeigt sich auf Trendy immer wieder. Johann Bonitz (Bass), Lotta Kummer (18, Schlagzeug und Rap), Nina Kummer (19, Gesang und Gitarre) kennen sich praktisch aus dem Sandkasten (wie das Foto auf dem Cover ihrer Debüt-EP belegt) und „haben schon als Kinder angefangen, Musik zu machen. Wir haben uns Instrumente aus Pappe gebastelt und so getan, als hätten wir Auftritte“, hat Lotta Kummer bei Intro erzählt. Ihre Schwester Nina wies im selben Interview darauf hin, wie unterschiedlich die Einflüsse sind, die jeder von ihnen bei Blond einbringt: „Ich stehe vor allem auf Indiekram, Lotta mag R’n’B, und Johann hat den beschissensten Musikgeschmack: düstere Gitarrenmusik. Aber genau aus diesen Sachen setzt sich unser Sound zusammen.“

Entsprechend bunt ist der Mix, den man auf Trendy erleben kann. Der großartige Auftakt Book lässt gleich an zwei Blond-Verwandte (nämlich den New-Wave-Sound von Blondie und die elegante Intelligenz der Long Blondes) denken, die Botschaft heißt: „Let me read the book / before you show me the movie.“ Das ist nicht die Angst vor spoilern und auch kein Plädoyer für die Print-Kultur, sondern für Selbstbestimmung. Auch Don’t Bug Me geht (etwa mit der schönen Zeile „You hate my rock’n’roll lifestyle“) in diese Richtung: Der Sound würde zu Kate Nash passen, der Text ist Widerstand gegen Bevormundung, vor der sie im Zweifel einfach davontanzen.

Man hört der EP den DIY-Charakter (das geht in Chemnitz ja manchmal auch nicht anders) an, immer wieder kann man ungewöhnliche Melodieführungen und clevere Kompositionsideen erkennen, trotzdem können Blond auch enorme Wucht entwickeln wie etwa mit dem Riff in It-Girl. Die Produktion verschleiert zwar ein wenig, wie viel Kraft und Härte darin stecken, aber mit ein paar Stellschrauben würde das perfekt für Be Your Own Pet oder die Arctic Monkeys passen. Auch, wenn es mal etwas langsamer wird wie in Schmusi, sind Blond niemals harmlos, auch in diesem Song steckt eine Warnung („I know your friends will be your end“), vor allem aber Schmerz.

Not Cool Enough handelt vielleicht von einem (womöglich prominenten) Fan, vielleicht von einem Stalker oder einem sehr obsessiven und vollkommen schüchternern Möchtergern-Freund. „We are not cool enough for you“, singen Blond ihm entgegen, und natürlich wissen sie, dass sie mit solchen Songs diejenigen sein werden, die zuletzt lachen – egal, wie überheblich jemand ihnen begegnet. Humor ist auch das entscheidende Mittel in der famosen Single Spinaci, dem einzigen der sechs Songs mit einem deutschen Text. „Ich hab‘ die Fresse voll Spinat / und du hast nichts gesagt“, heißt der Refrain. Aus dem Vorwurf, dass man gerade etwas eklig aussieht und nicht darauf hingewiesen wird, erwachsen hörbar echte Wut und das fiese Gefühl, verraten worden zu sein. Aber zugleich ist klar, wie witzig diese Situation für alle anderen Beteiligten sein muss, deshalb folgt daraus kein echter Vorwurf, sondern ein augenzwinkernder. Blond wissen: Peinlich auszusehen ist im Zweifel zweitrangig. Jedenfalls deutlich weniger wichtig als eine Freundschaft oder Beziehung, in der man sich auch mal verarschen darf.

Echten Spinat gibt es im Video zu Spinaci.

Demnächst sind Blond auf Tour, unter anderem als Vorgruppe für Zugezogen Maskulin und Kraftklub.
10.01. Leipzig, Werk2

15.01. Köln, Bahnhof Ehrenfeld

16.01. Frankfurt, Zoom

18.01. Leipzig, Ilses Erika

19.01. Kassel, K19

20.01. Berlin, Festsaal Kreuzberg

26.01. Dresden, Groovstation

27.01. Erfurt, Engelsburg

Website von Blond.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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