Blue Valentine

Film Blue Valentine

Blue Valentine Review Kritik
Dean (Ryan Gosling) gewinnt das Herz von Cindy (Michelle Williams).
Produktionsland USA
Jahr 2010
Spielzeit 112 Minuten
Regie Derek Cianfrance
Hauptdarsteller*innen Ryan Gosling, Michelle Williams
Bewertung

Worum geht’s?

Dean und Cindy sind seit rund fünf Jahren verheiratet und leben ein recht durchschnittliches Leben mit Haus, Hund und ihrer Tochter Frankie. Er arbeitet als Handwerker, lebt mehr oder weniger in den Tag hinein und hat erst als Teil dieser kleinen Familie überhaupt so etwas wie Verantwortungsgefühl gelernt, obwohl er nicht Frankies biologischer Vater ist. Sie hat nach der Schwangerschaft ihr Medizinstudium abgebrochen und ist Krankenschwester geworden. Neben den Alltagssorgen (der Hund stirbt, die Wohnung muss aufgeräumt werden, die Kollegen nerven, die Schwiegereltern sind nie recht zufrieden) bemerkt das junge Ehepaar mehr und mehr, dass es in Routinen, Frustration und Enttäuschung angekommen ist. Ein Ausflug in ein Hotel, als Neuauflage ihrer Flitterwochen, soll alles wieder zum Guten wenden. Doch der Trip zeigt erst recht auf, wie viel in dieser Beziehung im Argen liegt.

Das sagt shitesite:

Blue Valentine zeigt die Welt ganz normaler Menschen mit ganz normalen Sorgen, die selten im Kino zu sehen ist, und zwar ebenso glaubwürdig wie schonungslos. Das liegt an Michelle Williams (sie wurde für diese Leistung für den Oscar nominiert) und an Ryan Gosling in den Hauptrollen, es liegt aber auch an der sehr empathischen Herangehensweise von Regisseur und Drehbuchautor Derek Cianfrance. Er weiß natürlich: Dass sich ein Ehepaar voneinander entfremdet, passiert jeden Tag, überall auf der Welt. Aber hier wird dieser Prozess trotzdem nicht als banal erzählt, sondern als weltbewegend. Denn genau das ist er schließlich für die Beteiligten.

Als sehr klug erweist sich die Konstellation der beiden Protagonisten: Cindy ist verzweifelt angesichts ihrer Situation, Dean ist zuversichtlich, dass sie gemeinsam alles wieder hinkriegen werden. Aber sein Optimismus ist unverkennbar nicht nur von Überzeugung getragen, sondern auch von Bequemlichkeit und dem Unwillen, sich wirklich mit den Problemem in dieser Beziehung auseinanderzusetzen. Sie hatten offensichtlich ganz unterschiedliche Vorstellungen davon, wie diese Ehe verlaufen sollte, und sie haben sich von der Romantik der Umstände verleiten lassen: Als sie sich kennenlernten, erschienen sie einander wie eine Rettung und wie ein Wegweiser in eine andere Welt. Er zeigte ihr, dass es auch ohne Karriereplan einen Traum vom Glück geben kann. Sie zeigte ihm, dass Menschen vielleicht mehr in ihm sehen als einen Nichtsnutz. Sie brauchte einen Vater für ihr Kind, nachdem sie sich im letzten Moment gegen eine Abtreibung entschieden hat. Er wollte die Chance ergreifen, sich endlich einmal als erwachsen und selbstlos zu beweisen.

Wo andere Filme enden (nämlich bei der Hoffnung, diese Begegnung könne der Moment sein, der alles gut macht in ihrem Leben, für immer), fängt Blue Valentine erst an und zeigt, wie ungerechtfertigt dieser verliebte Hollywood-Optimismus oft ist. Cindy und Dean wollen das leugnen, trotzig an ihrem Idealbild von sich selbst festhalten, durchaus auch mit Leidenschaft um ihre Ehe kämpfen, aber die vermeintlich verheißungsvolle Ausgangssituation hat sich für sie längst ins Gegenteil verkehrt. Was Cindy ursprünglich als lässige Unbekümmertheit an Dean liebte, nervt sie mittlerweile als Phlegma. Umgekehrt leidet Dean unter dem Gefühl, das gemeinsame Leben sei nicht gut genug für Cindy und ihre Ansprüche. Das mündet in starken Szenen wie der misslungenen Verführung im Hotel oder vor dem Haus ihres Vaters, als Dean gesteht, dass er nicht weiß, was er tun soll, und Cindy ebenfalls endlich die schmerzhafte Wahrheit ausspricht: „Ich kann so nicht weiterleben.“

In all dieser Verzweiflung bleibt unverkennbar, dass sie sich lieben, und das führt zum zweiten Geniestreich von Blue Valentine: Cianfrance baut chronologisch ungeordnete Rückblenden ein, zeigt darin die Zeit des Kennenlernens und zugleich die großen Erwartungen, die diese beiden jungen Menschen hatten, nicht nur ans Leben insgesamt, sondern auch an diese Beziehung und diese Liebe. Diese Rückblenden werden von Mal zu Mal schmerzhafter und wirken bald tragischer als die Szenen vom Scheitern dieser Ehe aus der erzählten Gegenwart. Nicht zuletzt unterstreichen sie die Relevanz und Aktualität dieser vermeintlich so alltäglichen Geschichte: Während Cindy unter diversen patriarchalischen Repressionen zu leiden hat (die ungewollte Schwangerschaft durch ihren rücksichtslosen Ex-Freund, der Druck durch die Eltern, die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz), ist Dean eine eindrucksvolle Verkörperung von verunsicherter Männlichkeit.

Bestes Zitat:

„Wie soll man seinen Gefühlen trauen, wenn sie sich einfach in Luft auflösen können?“

Der Trailer zum Film.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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