Künstler | BRKN | |
Album | Drama | |
Label | Beste | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Bewertung |
Das Bild vom Leben als Achterbahn ist ein ziemlich abgenutztes. Wir alle haben schließlich Hochs und Tiefs, und vielleicht gerade deshalb nicht auch noch Lust darauf, uns diese Erfahrung auch noch in Musikform von anderen berichten zu lassen, die womöglich nur eine Ausrede für ihre Launenhaftigkeit brauchen oder für die Tatsache, dass sie keinen klaren Fokus für ihre Kunst finden. Andac Berkan Akbıyık alias BRKN scheint das egal zu sein. Er bezeichnet sein heute erscheinendes drittes Album als „eine richtige Berg- und Talfahrt“ – und er hat einen entscheidenden Vorteil: Er macht Rap. Und dort gibt es standardmäßig keine Täler und Tiefs, sondern bloß Dauerparty und permanente Stärke. Das macht die Idee mit der Achterbahn ein gutes Stück origineller – und nicht zuletzt mutig.
Der zweite Pluspunkt für Drama ist, wie glaubhaft er in diesen elf Tracks zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt changiert. Der Titelsong direkt nach dem Intro ist das beste Beispiel dafür. „Ich kann dich nicht retten, ich fliege selber auf den Boden zu / und werde immer schneller“, heißt es da, das Auf und Ab wird jeweils bis zum Äußersten getrieben, begleitet von vielen Soul-Elementen: So könnte eine Borderline-Variante von Cee-Lo Green klingen.
„Gibt keinen Exit aus meinem Kopf“, erkennt BRKN in Zeit (Interlude), später wird Lüg mich an zur einzigen Möglichkeit, Wunsch und Wirklichkeit in Einklang zu bringen. In Herz wird Liebeskummer wie eine Schussverletzung dargestellt, den Abschluss der Platte macht Zu Ende als die Andeutung einer Klavierballade, die mit der Zeile „Dein Schmerz ist mein Schmerz“ ziemlich heimtücksich auf Whitney Houstons My Love Is Your Love anspielt.
Unverkennbar ist Drama eine Liebeskummerplatte, ebenso ein Werk, das vom Überwinden der Dunkelheit handelt, in die BRKN nach dem Debüt Kauft meine Liebe (2016) und dem sehr erfolgreichen Nachfolger Einzimmervilla (2017) offenbar geraten ist. „Dann bin ich hinabgestiegen in diesen Keller in mir und bin darin herum gewatet in all dem Schmutz und dem Unrat, der sich da unten angesammelt hat. Das war eine richtige Katastrophe, doch dann habe ich ihn aufgeräumt und ausgemistet, diesen Keller, und langsam, langsam habe mich wieder nach oben gekämpft aus diesem Loch. Und irgendwann habe ich dann wieder die Sonne gesehen, das Tageslicht, die frische Luft gespürt und die Freiheit“, teilt er mit.
Kein Liebessong ist vielleicht der Track auf Drama, der aus dem tiefsten Tal stammt: Was man hier hört, ist die völlige Abwesenheit von Selbstvertrauen. Wir begegnen dem Künstler in dem Moment, in dem er seine eigene Wertlosigkeit so gut erkannt zu haben meint, dass er nicht mehr glauben kann, irgendjemand könne ihn noch liebenswert finden. Die Musik dazu ist – wie häufig auf diesem unter anderem mit Jumpa, Miksu und den Beatgees produzierten Album – unspektakulär, aber diese Perspektive setzt dann doch ein ziemliches Ausrufezeichen. Auch Stress ist ein (nicht nur für Deutschrap-Verhältnisse) erstaunlich ehrliches Bekenntnis, denn es besingt alles, was uns ablenkt von den eigenen Problemen, Dämonen und Herausforderungen – und weiß dabei genau, dass dieser Stress manchmal genau deshalb so willkommen ist, weil wir uns ihnen dann vor lauter Arbeit, Termine und Verpflichtungen nicht stellen müssen.
1991 ist der einzige Moment auf Drama, in dem man die übliche HipHop-Attitüde erkennen kann: BRKN verweist darauf, wie true und real er ist, mit Erinnerungen an sein Geburtsjahr und Verweise auf die Berliner Heimat. Es ist einer von mehreren Tracks, die musikalisch ein bisschen zu gewöhnlich sind. Nichts auf diesem Album ballert oder glänzt (nur das sehr abwechslungsreiche Hades ragt in dieser Hinsicht etwas heraus), es gibt im Sound auch keine Entsprechung zu den emotionalen Extremen, die hier verhandelt werden. Die Stärke dieser Platte ist eine andere, und man kann sie am klarsten in Jede Nacht erleben: Hier entfaltet sich eine Individualität, die nicht bloß behauptet wird.