Künstler | Buzzcocks | |
Album | A Different Kind Of Tension | |
Label | Domino | |
Erscheinungsjahr | 1979 | |
Bewertung |
Wer an den Punk der 1970er Jahre denkt, schätzt ja gerne den Purismus daran. Frische, Rebellion, Do it yourself mit drei Akkorden. Die Buzzcocks bieten auf A Different Kind Of Tension all dies, zeigen aber zugleich, wie spannend ihre Musik auch war, wenn sie sich von diesem Purismus emanzipierten.
Das dritte Album der Band aus Manchester wurde im Sommer 1979 mit Produzent Martin Rushent aufgenommen, der auch schon die ersten beiden Alben betreut hatte. Auch beim Design des Albumcovers gibt es Kontinuität, es wurde wie bei Another Music In A Different Kitchen und Love Bites von Malcolm Garrett gestaltet. Im September 1979 kam A Different Kind Of Tension dann heraus, nun wird es vom Domino im Rahmen mehrerer Buzzcocks-Wiederveröffentlichungen neu aufgelegt. Die 2019er Version wurde von den Originalbändern neu gemastert und enthält Liner Notes von Jon Savage.
Es war das letzte Album mit der Besetzung aus Pete Shelley (Gesang, Gitarre), Steve Diggle (Gitarre, Gesang), Steve Garvey (Bass) und John Maher (Schlagzeug) und das letzte der Band überhaupt bis zum Split und dem Comeback mit Trade Test Transmissions (1993). Besonders interessant ist der Rückblick auf A Different Kind Of Tension, wenn man diese Zeitspanne im Blick hat: Etwa bei Sitting Round At Home sorgen unter anderem die Effekte und das Gefühl von Frust und Ausweglosigkeit dafür, dass es erstaunlich modern klingt. Man kann hier gut den Beginn einer Traditionslinie erkennen, die beispielsweise zu den Strokes und Arctic Monkeys führt. Auch ein Song wie Money könnte in seiner Entstehung problemlos in unserem Jahrtausend verortet werden, weil die Buzzcocks hier ebenfalls die Möglichkeiten des Studios als Instrument ausloten, um ihre Ästhetik zu erweitern und zu verfeinern.
Natürlich findet man auch noch die Grundzutaten ihres Sounds: You Say You Don’t Love Me trägt das ganze Dilemma von „Ich will sie, aber sie will mich nicht“, mit erstaunlicher Nonchalance vor, bis am Ende doch der (hormonelle) Schmerz herausbricht. Die Botschaft von You Know You Can’t Help It lautet schlicht „Ficken macht Spaß“, alles darin ist krawallig und explizit, auch für die Maßstäbe der Zeit. Mad Mad Judy vereint viel Tempo mit vielen guten Ideen, I Don’t Know What To Do With My Life ist ein schöner Punk-Slogan, aber der Rest des Songs ist noch viel attraktiver. Hollow Inside vereint Monotonie und Unruhe, wie viele Lieder dieser Band, und führt zugleich zum Gedanken: Nihilismus dürfte niemals so catchy klingen.
Paradise eröffnet das Album und kommt dabei sofort auf den Punkt, natürlich klingt es eher düster und bedrohlich als paradiesisch. Der Rhythmus im Titelsong A Different Kind Of Tension hat eine geradezu militärische Strenge. Dazu passen auch die Imperative, aus denen der Text besteht, auch wenn sie natürlich spätestens mit „Be normal!“ als fragwürdig entlarvt werden. I Believe hat einen klasse Refrain und eine feine Dramaturgie, die problemlos die Spielzeit von mehr als 7 Minuten (!) trägt. Zentral ist hier das Personalpronomen „Ich“: Es geht in diesem Glaubensbekenntnis nicht um blindes Vertrauen, sondern um Autonomie.
Raison d’etre ist zugleich kompakt und fokussiert und würde wahrscheinlich den Ramones gefallen. Zugleich gibt es darin aber auch ein langes (und einigermaßen unbeholfenes Gitarrensolo), das nicht zuletzt die Demokratie im Sound der Buzzcocks zeigt: Jeder ist hier gleichberechtigt und soll die Möglichkeit haben, im Mittelpunkt zu stehen, unabhängig von den technischen Fähigkeiten. Radio Nine beendet A Different Kind Of Tension mit ein paar Schnipseln aus den Singles dieser Zeit (wie Everybody’s Happy Nowadays und Why Can’t I Touch It), die auf dem Album indes nicht vertreten sind. Wer davon mehr haben will: Domino veröffentlich parallel auch die Sammlung Singles Going Steady neu.