Künstler | Callejon | |
Album | Hartgeld im Club | |
Label | Century Media | |
Erscheinungsjahr | 2019 | |
Bewertung |
Rap und Metal sind natürlich schon lange dicke Buddies. Man kann an Run DMC und Aerosmith als Geburtshelfer für diese Freundschaft denken, spätestens mit dem Soundtrack zu Judgment Night aus dem Jahr 1993 (da arbeiteten etwa Helmet mit House of Pain und Sonic Youth mit Cypress Hill zusammen) fanden die beiden Lager zusammen. Wie eng sie verwoben sein können, demonstrierten auch Acts wie Body Count, Rage Against The Machine oder Legionen von Nu-Metal-Bands à la Limp Bizkit. Hierzulande könnte man das Megavier-Projekt der Fantastischen Vier (1994) als Referenz heranziehen.
In diese Ahnenreihe stellen sich jetzt Callejon aus Düsseldorf mit Hartgeld im Club. Das Quintett covert darauf elf Deutschrap-Songs in dem Knüppel-Metal-Sound, den man von ihren eigenen Alben kennt. Schon 2013 hatten Callejon das Cover-Album Man spricht Deutsch veröffentlicht, unter anderem mit Songs von den Ärzten, Clueso, Tokio Hotel und Tic Tac Toe, auch Sido und Fettes Brot waren schon dabei. Diesmal gibt es nur Sprechgesang.
Warum das reizvoll erscheint, kann man schnell nachvollziehen: Beide Genres geben sich gerne roh und ruppig, bieten Identifikation für (vor allem junge, männliche) Außenseiter, die nicht mit einem 08/15-Leben einverstanden sind, und provozieren dabei gerne mit Grenzüberschreitung die gesellschaftliche Mitte. Auf dem Papier hätte Hartgeld im Club also durchaus gut funktionieren können. Stattdessen wird das Album allerdings schwer erträglicher Murks. Das liegt erstens daran, dass viele der hier gewählten Vorlagen sagenhaft dumm sind. Zweitens tötet der Brachial-Sound von Callejon selbst bei den Stücken, wo das nicht der Fall ist, jeden Anflug von Komplexität.
Von Party zu Party macht den Auftakt. Was hart und modern klingen soll, wirkt vom ersten Ton an bloß angeberisch, auch die trotzige Euphorie des Originals von SXTN geht völlig verloren. Schlechtes Vorbild behält zwar seine Eingängigkeit, die Kernaussage „Assi und stolz darauf“ klingt aber noch pubertärer als bei Sido. Bei Palmen aus Plastik treffen Bonez MC und RAF Camora auf Manowar – und das ist eine Paarung, die man wirklich lieber nicht kennen gelernt hätte. Ich rolle mit meim Besten wird ebenfalls noch plumper als das Original von Haftbefehl und Marteria.
Marteria wird noch zwei weitere Male durch den Callejon-Wolf gedreht: Kids (2 Finger an den Kopf) verliert bei all der Pseudo-Härte erstaunlicherweise an Biss. So Perfekt, seine Zusammenarbeit mit Casper, wird etwas erträglicher, weil der Text hier zum Sound passt und nochmals in Erinnerung ruft: Metal ist Verlierermusik. „Heavy Metal ist ein Faustschlag ins biedermännische Heilewelt-Lächeln“, hat Frank Schäfer in seinem Buch Heavy Metal diesen Aspekt herausgestellt. Das bedeutete in der Zeit, in der er sozialisiert wurde, eben auch: Mit Charts und Pop wollte man als Kuttenträger nichts zu tun haben. Jetzt ist ein ebensolcher Kuttenträger auf dem Cover von Hartgeld im Club im innigen Zungenkuss mit einem Rap-Fan zu sehen. Entsprechung dieser Symbiose ist Was du Liebe nennst: Callejon machen Bausa zum Headbanger.
Diese Vereinbarkeit des früher Unvereinbaren ist natürlich eine positive Entwicklung. Statt deutschen HipHop zu bereichern, zu dekonstruieren oder ironisch zu brechen, suchen Callejon aber bloß nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner aus Rap und Metal, wie etwa Willst du (von Alligatoah) zeigt. Die Botschaft heißt: Hauptsache, es knallt. Besonders schlimm wird das, wenn die von ihnen ausgewählten Tracks im Original mehrdeutig sind, hier aber plattgewalzt werden. Arbeit nervt nimmt jede Intelligenz aus dem Deichkind-Kracher heraus und zeigt zudem: Humor funktioniert schlecht zu Sepultura-Sound. Urlaub fürs Gehirn (K.I.Z.) klingt plötzlich, als solle man es wörtlich nehmen statt ironisch verstehen, und das tut dem Song nicht gut.
Zwei Eigenkompositionen haben Callejon auch noch am Start. Der Titelsong Hartgeld im Club ist dabei der stärkste Moment des Albums und wird auch durch die Beiträge der beiden Rapperinnen Antifuchs und Pilz sehr kurzweilig. In Porn From Spain 3 setzen die Düsseldorfer die Tradition der Zusammenarbeit mit K.I.Z. fort und warten zudem mit einem Gastauftritt von Ice-T auf. Die Rebellion, die in Rap und Metal stecken kann, führt aber auch hier bloß zu Flucht statt Auseinandersetzung, Komasaufen statt Hinterfragen. Der vielleicht typischste Moment für Hartgeld im Club ist allerdings ihre Version von Bros (im Original von RIN). Gender-Forscher, die Studien über die Krise der Männlichkeit im 21. Jahrhundert betreiben, werden noch jahrzehntelang ihre Freude daran haben.