Künstler | Chad VanGaalen | |
Album | World’s Most Stressed Out Gardener | |
Label | Sub Pop | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Bewertung |
Es ist auch auf dieser Platte von Chad VanGaalen fast unmöglich, seine Musik zu kategorisieren. Freundlicherweise liefert der Mann aus Calgary auf World’s Most Stressed Out Gardener aber ein paar Songtitel mit, die diese Aufgabe zumindest ein wenig einfacher machen. Flute Peace klingt genau so, wie es heißt, mit einer Flöte als prägendem Instrument. Das gilt auch für das von Synthesizern getragene Earth From A Distance, das schwebend und sehnsüchtig wird und ebenfalls auf Text verzichtet, genau wie Plant Music, das sich sehr organisch und hypnotisch rund um ein Cello entfaltet.
Die Sache mit den Pflanzen, die sich auch im Albumtitel findet, hat übrigens wirklich eine recht unmittelbare Verbindung zu diesen 13 Songs. Chad VanGaalen hat im vergangenen Jahr einen Garten angelegt, er pflanzt dort beispielsweise Möhren und Brokkoli an – und hat erkannt, was er dabei alles nicht beeinflussen kann. Schlechter Boden, mieses Wetter, hartnäckige Schädlinge – all das kann die Erträge beeinflussen. Und selbst, wenn alles ideal ist, sieht jede Frucht immer noch anders aus als die nächste. Im Hinblick auf die eigene Musik hat ihn das entspannter gemacht. Die Lieder auf World’s Most Stressed Out Gardener kommen quasi auch frisch vom Feld. Chad VanGaalen hat sie komplett zuhause aufgenommen, roh und ohne große Nachbearbeitung. „Ich wollte es nicht überstrapazieren“, sagt er über den Ansatz für sein achtes Album. „Ich neige dazu, mich außerhalb des Songs zu platzieren und sehr viel darüber nachzudenken. Aber dann erkenne ich irgendwann, dass ich den Song liebe, wie er ist.“
Die Frage Where Is It All Going? könnte man also als Grundprinzip für die Platte betrachten, der entsprechende Song wird etwas schläfrig und sehr hübsch. Ähnlich klingt auch Golden Pear, das die Folk-DNA des Kanadiers zeigt und somit (auch wegen des schrägen Texts) wohl auch Beck gefallen würde. Samurai Sword macht es sich irgendwo zwischen Jonathan Richman und Adam Green gemütlich, Nothing Is Strange klingt wie eine Archivaufnahme der Beach Boys oder Byrds, durchaus aus deren jeweiliger Blütephase, die auf dem Weg in unsere Zeit von Lochfraß befallen wurde.
Spider Milk eröffnet die Platte mit ähnlichem Sixties-Charme, der durch den analogen Sound, den Harmoniegesang und natürlich auch eine beträchtliche Prise an Psychedelia entsteht, wie man das bei diesem Künstler kennt, bevor es etwa in der Mitte viel voluminöser wird, aber in dieser Ära bleibt. Man kann hier schon ein Prinzip erkennen, das sich dann auf World’s Most Stressed Out Gardener immer wieder findet: In diesem Wohlklang stecken viel Wahnsinn und Wagemut.
Nightwaves ist ein Track, der das ebenfalls verdeutlicht: Im Kern macht Chad VanGaalen hier Rock, aber unendlich experimenteller als es dieses Genre normalerweise kennt. Inner Fire ist unruhig und voller Energie, die eine Richtung sucht. Beat und Bass in Starlight sind stoisch, der Rest ist hingegen äußerst freigeistig und wirkt ein wenig wie die Doors ohne Wut im Bauch. Nightmare Scenario hat mehr Schwung als der Durchschnitt des Albums, nach gut einer Minute wird daraus sogar ein kraftvoller Boogie-Rock, in dem das „Take me to the river“ keine Bitte mehr ist, sondern eine Aufforderung.
Der Album-Abschluss Water Brother, der die Platte mit einer Kakophonie aus Bläsern und Streichern enden lässt, ist noch einmal sehr typisch. „Dear people, are you satisfied with what became of all this chatter?“, lautet darin die erste Zeile. Schon da klingt Chad VanGaalen nicht nur wie ein Künstler, der sein Publikum am Ende des Werks um ein Feedback und eine Evaluation bittet, sondern es ist offensichtlich, dass er sich selbst in diesem „people“ nicht einschließt. „Earth people“, heißt dann passenderweise in der zweiten Strophe die Anrede, und da ist völlig klar, dass seine Perspektive die eines Aliens ist. Auch World’s Most Stressed Out Gardener unterstreicht indes, wie schön es ist, dass er ab und zu auf unserem Planeten vorbeischaut.