Das dürfte hart werden. „Ich bin es echt nicht gewohnt, als Headliner aufzutreten. Normalerweise spiele ich nur eine halbe Stunde als Anheizer. Das reicht gerade für eine Flasche Bier“, sagt Charlie Cunningham zu Beginn seines Konzerts im Werk 2 in Leipzig. Heute darf er deutlich länger ran, für eine zweite Flasche reicht die Zeit locker – und er hat sich ausnahmsweise sogar eine Setlist aufgeschrieben. Trotzdem ist ihm bei diesem Gedanken ein bisschen unwohl zumute, und man kann das auch als Zuschauer verstehen: Seine Musik ist derart reduziert, dass man sich durchaus fragen darf, ob sie spannend genug ist, um mehr als das Vorprogramm zu tragen.
Es gibt an diesem Abend in Leipzig tatsächlich nur seine Stimme und eine Konzertgitarre. Keine Loops, kein Macbook, keine Effekte, die dafür sorgen, dass nur eine Person auf der Bühne steht und es doch wie eine ganze Band klingt. Die Show ist so intim, dass man während des Konzerts an der Bar keine Getränke kaufen kann. Natürlich ist der Saal um Werk 2 bestuhlt. Und als irgendwo hinten im Publikum trotzdem eine Bierflasche umfällt, ist das überall zu hören. „It was empty, that’s okay“, kommentiert Charlie Cunningham das Malheuer.
Seine sympathischen Ansagen und seine unverkennbare Nervosität haben großen Anteil daran, dass es ein gelungenes Konzert wird. Zum einen ist es wohltuend, einen Künstler zu erleben, der so unverbraucht ist, dass er sich am Ende jedes Lieds ein spitzbübisches Lächeln nicht verkneifen kann. Zum anderen ist das lockere Plaudern mit dem Publikum ein wichtiges Gegengewicht zur bewundernden, beinahe andächtigen Stimmung im Werk 2.
Und was ist mit der Spannung? Alles in Butter. Charlie Cunningham spielt genau eine Stunde lang, und vom ersten Song Outside Things bis zur Zugabe While You Were Young (das er tags zuvor zum ersten mal überhaupt live gespielt hat) ist es faszinierend, ihm zuzuhören. Der Londoner macht Lieder, die in den instrumentalen Passagen manchmal an die Musik erinnert, mit der höfische Szenen in Mittelalter-Dokus unterlegt werden. Seine Stimme ist im genau richtigen Maß brüchig, um diesem meisterhaften Gitarrespiel einen Kontrapunkt entgegenzusetzen. Er hat Songs dabei, die manchmal an die extravagantesten Momente von Leonard Cohen denken lassen. Und er kombiniert, geschult am Flamenco (er lebte ein paar Jahre in Sevilla und war unlängst wieder in Cádiz, erzählt er), immer wieder virtuose Saitenkunst mit dem effektvollen Einsatz des Gitarrenkorpus als Percussion-Instrument.
Bei mir steht auch so eine Gitarre rum, und ich bin sicher nicht der Einzige, der während dieses Konzerts denkt: Dieser Gitarre bei mir zuhause, da mag sie noch so baugleich sein, könnte man niemals solche Töne entlocken. Aber ein Könner wie Charlie Cunningham schafft das, mal eingängig wie bei Lights Off, das in Leipzig als letztes Lied vor der Zugabe erklingt, mal bedrohlich wie in Long Grass oder hoch komplex wie Blindfold von der im April erscheinenden EP Heights. Mit An Opening hat Charlie Cunningham auch einen ganz neuen Song mitgebracht. Und eine Ankündigung, die an diesem Abend wie ein verheißungsvolles Versprechen klingt: Im November kommt, nach bisher drei EPs, endlich das Debütalbum.