Künstler | Chastity | |
Album | Death Lust | |
Label | Captured Tracks | |
Erscheinungsjahr | 2018 | |
Bewertung |
„Death Lust handelt davon, wie man vom Tode besessen aufwächst. Es geht um den Schmerz, der damit verbunden ist, und die Leidensfähigkeit, die wir überwinden müssen“, sagt Brandon Williams über sein Debütalbum. Mit seinen frühen Veröffentlichungen hat der Mann, der hinter Chastity steckt, schon einige Aufmerksamkeit erregt, unter anderem stand er schon mit Metz, Chelsea Wolfe und Fucked Up auf der Bühne. Neben einem sehr leidenschaftlichen Sound trägt dazu auch das ebenso große Bewusstsein für soziale Probleme bei. Mit anderen Worten: Death Lust zeigt, wie Punk anno 2018 im besten Falle zu funktionieren hat.
Der Auftakt Children ist dafür gleich ein Paradebeispiel. Der Song entstand nach einem Übergriff auf einen jungen Schwarzen in Whitby, Ontario, der Heimatstadt von Brandon Williams. Als Tatverdächtige wurden ein weißer Polizist außer Dienst und sein Bruder ermittelt. „Das ist ein plastischer Beleg für den institutionellen Rassismus, den die Polizei in meiner Heimatstadt immer wieder an den Tag legt. Diese Behörde ist eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit“, sagt Williams und fügt an: „Black Lives Matter! How much do black lives matter to police?“ Das kolossale Riff des Songs würde zu den frühen Smashing Pumpkins passen, der Gesang ist angesichts des Themas erstaunlich beherrscht.
Auch Choke hat viel Feuer und Tempo, das enorm harte Chains bräuchte am Anfang nur ein paar Prozent mehr Wut, um zu Rage Against The Machine zu passen, gegen Ende ist es dann tatsächlich auf deren Level angelangt. Anoxia beweist, dass Williams auch ein passabler Shouter ist, sein Furor richtet sich gegen „your shitty conspiracy“.
Einer der Pluspunkte bei Chastity ist, wie variantenreich die Musik trotz des allgegenwärtigen Engagements ist. Come darf man wohl als Ballade bezeichnen, auch wenn am Ende ein kurzes Noise-Inferno steht, Negative With Reason To Be ist ein gutes Beispiel für die Komplexität, die diese Songs annehmen können. Das in die Nähe von Soundgarden passende Scary beweist, dass ihm auch ein luftigerer Sound steht, das beinahe heitere Heaven Hell Anywhere Else erinnert klanglich an die entspannteren Momente der Foo Fighters.
Sehr typisch für die große Bandbreite ist Suffer: Das Lied beginnt als Ballade im Stile von Dinosaur Jr., die Stimmung ist wehmütig, die Stimme kreist betrübt rund um die Zeile „I can’t forget her“. Doch schon in dieser Passage will die Gitarre ständig hörbar in den Vordergrund, am Ende dann bricht sie sich in einem sehr kraftvollen Sound Bahn, der zu Pearl Jam passen könnte. Mit Oi-Punk oder Hardcore-Ästhetik hat das nur wenig zu tun, doch das gemeinsame Grundprinzip ist bei Chastity in jeder Sekunde spürbar, wie nicht zuletzt der Album-Schlusspunkt Innocance zeigt: Die Gitarre ist hier nichts anderes als eine Ventil für Frust, zugleich ist Brandon Williams jemand, für dessen Frust es kein besseres Ventil geben könnte.