Chet Faker – „Built On Glass“

Künstler*in Chet Faker

Chet Faker Built On Glass Review Kritik
Mit kleinem Budget im Heimstudio hat Chet Faker „Built On Glass“ gemacht.
Album Built On Glass
Label Future Classics
Erscheinungsjahr 2014
Bewertung Foto oben: (C) Cooperative Music / Lisa Frieling

Mit einer Coverversion von No Diggity, die eigentlich bloß als Kostprobe für ein paar Freunde gedacht war, fing 2011 für Nicholas Murphy alles an. Für den Song hatte er sich den Künstlernamen Chet Faker gegeben, und danach lief es direkt wie am Schnürchen: Das Lied erreichte die Spitze der Charts bei Hype Machine, die folge Debüt-EP Thinking In Textures (2012) wurde in seiner australischen Heimat mit Gold ausgezeichnet. Es gab umjubelte Festival-Shows, prominentes Radio-Airplay weltweit, ausverkaufte Tourneen und etliche Award-Nominierungen.

Nach einer weiteren EP und Auftritten als Support-Act für Bonobo widmete sich der Mann aus Melbourne dann in seinem Heimstudio zwei Jahre lang seinem Debütalbum Built On Glass, das schließlich im Frühjahr 2014 herauskam. Die Anknüpfungspunkte zum Ausgangspunkt seiner Karriere sind darauf weiterhin erstaunlich deutlich: Release Your Problems eröffnet die Platte, und die Ähnlichkeit mit No Diggity ist sehr präsent: Der Track ist reduziert und gebremst, ein sehr prominenter Bass und ein Backgroundchor sind prägende Elemente, vor allem aber vereint das Stück eine große Coolness mit einer doch unverkennbaren Leidenschaft.

Das folgende Talk Is Cheap setzt auf einen Kern aus Soul und erstaunlich viele Experimente links und rechts davon. Der Offbeat im Hintergund von Melt (feat. Kilo Kish) sorgt für eine etwas verstörende Atmosphäre – so etwas würde vielleicht entstehen, wenn James Blake sexy sein könnte. Das mit Trip-Hop-Einflüssen angereicherte Gold hätte vielleicht von Lenny Kravitz stammen können, wenn er nie im Leben eine E-Gitarre zu Gesicht bekommen hätte. To Me hat eine Wärme und Intensität, wie man das beispielsweise von Roachford kennt, und erzeugt einen fast hypnotischen Effekt mit einem geloopten Bass-Riff.

Als größte Stärke von Built On Glass erweist sich seine Sozialisation in House und Disco, die Chet Faker überaus gekonnt mit R&B-Elementen verwebt. In Blush und 1998, den experimtellsten Momenten des Albums, ist das besonders deutlich zu erkennen. Auch das fast achtminütige Cigarettes & Loneliness ist ein gutes Beispiel dafür: Der Song überträgt die Dynamik und Dramaturgie von elektronischer Musik auf eine weitgehend klassische Instrumentierung und erreicht so einen tollen Spannungsbogen und große Eigenständigkeit.

Ein weiterer großer Pluspunkt ist die – erst recht angesichts dieses Backgrounds – erstaunliche Intimität der Platte. „Ehrlichkeit ist ein großer Teil des Albums. Ich habe mit sehr erschwinglichem Equipment aufgenommen, das Budget war winzig. (…) Textlich wollte ich erkunden, wie sich mein Leben direkt auf meine Musik auswirkt – das ist das Glas, denke ich“, sagt Murphy mit Blick auf den Albumtitel. Diesen Ansatz hört man gut in No Advice (Airport Version), das nur 106 Sekunden lang ist und beinahe acappella bleibt, dadurch aber umso klarer die klasse Gesangs-Arrangements bei Chet Faker durch das Zusammenspiel seiner Solostimme mit einem kleinen Chor zeigt. Lesson In Patience klingt wie eine von Saxofon begleitete Meditation, Dead Body wird dann ein wunderbarer Abschluss für Built On Glass: Es ist eine in sich selbst versunkene, ungewöhnliche und berührende Ballade.

Auf einem Lost Highway scheint sich der Clip von Gold abzuspielen.

Website von Chet Faker.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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