Ich kann mich noch genau an den Moment erinnern, als ich zum ersten Mal feststellen musste, dass Chris de Burgh nicht cool ist. Ich war auf dem Weg zu Rock am Ring (damals machte man so etwas noch) und eine Freundin schob eine Kassette (so etwas gab es damals noch) ins Autoradio. Ein junger Mann sang darauf vom Zauber, von der Kraft, die den Himmel über der Erde hält. „Klingt ein bisschen wie Chris de Burgh“, sagte ich – und meine Begleitung war schwer beleidigt.
Dabei hatte ich das gar nicht böse gemeint. Chris de Burgh war, seit ich denken kann, der Lieblingssänger meiner Mama. Und für mich war er einfach jemand, der ausgefeilte Melodien sang, gerne zum Klavier, stets mit einer hohen Stimme. Vielleicht ein bisschen arg theatralisch und mit einem Hang zu Schnulzen. Aber ich mag Schnulzen. Ich hatte also gar nichts gegen Chris de Burgh, und den jungen Mann, der im Autoradio ein paar flüchtige Ähnlichkeiten zu ihm zeigte, schloss ich künftig noch deutlich mehr ins Herz. Aber ich hatte eingesehen: Lieblingssänger der Mama sind in der Regel nicht cool.
An diesem Abend, an dem ich meine Mama zum Chris-de-Burgh-Konzert in die Arena begleite, fühle ich mich also ein bisschen unwohl. Und das Konzert in Leipzig bietet in gewisser Hinsicht auch genug Grund dafür. Also, die Boshaftigkeiten zuerst: Die Arena in Leipzig riecht nach diesem Konzert nicht nach Teenie-Schweiß (wie bei Mando Diao) und nicht wie eine Kneipe (wie nach den Sportfreunden), sondern nach einem etwas befremdlichen Mix aus Haartönung und den ersten Anzeichen von Inkontinenz. Chris de Burgh sieht noch immer aus wie Jan Hofer, wenn man ihn bei der Tagesschau gefeuert und dann 15 Jahren lang einem Leben als blinder Passagier ausgeliefert hätte.
Das Bühnenbild sieht aus, als hätte man bei Wetten Dass versucht, die Meuterei auf der Bounty nachzustellen. Chris de Burgh und seine Band sind passend dazu in historische Matrosenoutfits gehüllt – schließlich ist die aktuelle CD Moonfleet And Other Stories ja eine Art Konzeptalbum irgendwo zwischen der Schatzinsel und Fluch der Karibik.
Die Story wird sicherheitshalber noch einmal per Programmheft, Stimme aus dem Off vor dem Konzert und in den Ansagen von Chris de Burgh erklärt – trotzdem fruchtet das nicht so ganz; wohl auch, weil viele der Zuschauer nicht Englisch sprechen. Zur Sicherheit verspricht der 62-Jährige nach dem dritten Lied dann schon einmal, dass es neben Stücken von Moonfleet auch ältere Songs zu hören geben wird. Prompt lässt er Missing You folgen, und gleich danach macht er mit Ship To Shore deutlich, dass er nicht erst in diesem Jahrtausend auf den Seemannstrip gekommen ist.
Der Mix aus alten und neuen Stücken, gegen Ende ergänzt um eine Coverversion von Totos Africa, funktioniert auch danach erstaunlich gut. Zwischendurch streut Chris de Burgh immer wieder nette Witze ein wie die Geschichte, er sei nach dem Abflug aus München eine halbe Stunde über dem Englischen Garten gekreist, um den Blick auf die Frauen auskosten zu können, die dort barbusig die ersten Beinahe-Sommertage genossen. Immer wieder erinnert die Show an ein Musical – auch, weil die Orchestersounds in der Arena Leipzig leider komplett vom Band kommen. Trotzdem sorgen auch die fünf Musiker auf der Bühne für einige Überraschungen.
Erstens: Es gibt in einem Konzert von Chris de Burgh mindestens genauso viele Gitarrensoli wie bei Guns’N’Roses. Zweitens: Die herrlich altmodische Geste, dem Künstler auf der Bühne einen Strauß Blumen zu überreichen, ist keineswegs mit der ZDF-Hitparade ausgestorben. Drittens: Egal, ob man davon nun Brechreiz oder Gänsehaut bekommt – die Stimme von Chris de Burgh geht auf jeden Fall noch immer durch Mark und Bein.
Nach und nach kommen die Fans in Leipzig so in Stimmung, und je mehr sie feiern, desto klarer tritt die Faszination von Chris de Burgh hervor. Wenn er ernst wird, historisch oder gar politisch, dann sieht man ganz deutlich, wie gerne er Bob Dylan oder Leonard Cohen sein möchte, oder wenigstens Paul McCartney oder Paul Simon. Doch jenseits der Texte und Botschaften ist seine Musik derart melodramatisch (und schlicht schön), dass sie für viele Fans in erster Linie als eine Zuflucht dient. Die Musik von Chris de Burgh ist die akustische Entsprechung all der Rosamunde-Pilcher-Geschichten, in denen sich schöne Menschen in noch schöneren irischen Landschaften völlig bedeutungslose Auseinandersetzungen liefern.
Wie sehr es hier um große Gefühle geht, das könnte an diesem Abend in Leipzig kaum klarer werden. Als Chris de Burgh bei Lady In Red durchs Publikum wandelt, sorgt er mit dieser kleinen Geste nicht nur dafür, dass das tausendmal gespielte Lied ein Mindestmaß an Spannung behält, sondern auch reihenweise für höchstes Entzücken bei den Damen im Saal. Es kommt noch besser: Bei The Words I Love You will sich eine Lady in Grün (leider die falsche Farbe) der Bühne nähern. Ein Security-Mann hält sie auf und mahnt sie, sich wieder zu setzen. Doch prompt kommt Chris de Burgh von der Bühne und macht deutlich: Die Dame darf ruhig aufstehen. Alle dürfen aufstehen, wenn sie wollen. Und wie auf Befehl, fast wie erlöst, strömen plötzlich die Fans nach vorne. Beinahe muss man eine Stage-Invasion befürchten – und dann wird zu No Borderline direkt vor der Bühne geschunkelt, zu Bildern vom 9. November am Brandenburger Tor. Großes Kino. Und nicht zuletzt macht während der Show ein junger Mann namens Alexander seiner Angebeteten einen Heiratsantrag, live vor Tausenden Zuschauern.
Am Ende sind die rüstigen Fans vergleichsweise außer Rand und Band, und das ist keineswegs peinlich. Sie zeigen: Man kann auch mit Anfang 50 noch Spaß auf einem Konzert haben. So etwas nennt man dann wohl: High On Emotion.
Chris de Burgh spielt (auch wenn er kaum im Bild ist) Shine On, live in der Arena Leipzig:
httpv://www.youtube.com/watch?v=QSYWOOJF3tY
Sie haben sich Mühe gegeben mit diesem Artikel. In erster Linie kommt beim Lesen aber das Gefühl auf, dass Sie lieber sich selbst zuhören als Chris de Burgh. Arbeiten Sie etwas an Ihrem Schreibstil, korrigieren Sie die Fallfehler und CdB arbeitet dafür vielleicht weiter an sich … 🙂