Clown statt Klon

Spaßmobil: Das PT Cruiser Cabrio ist ein Auto, das Freu(n)de macht. Foto: Chrysler
Spaßmobil: Das PT Cruiser Cabrio ist ein Auto, das Freu(n)de macht. Foto: Chrysler

In der mobilen Welt ist es nicht anders als in der echten: Es gibt Trends und Themen, Gewinner und Verlierer, Nostalgiker und Modernisten. Und dabei bleiben schon einmal ein paar Dinge auf der Strecke. In der echten Welt mögen das Atari-Computerspiele sein, Ampelmännchen mit Hut oder der Junge, der bis vor kurzem auf der Kinderschokolade war. In der mobilen Welt sind es Autos mit Wankelmotor, Autos mit Heckflossen oder Autos ohne Sicherheitsgurt. Und Autos mit Individualität.

Wenn man nicht gerade auf die Details achtet, sieht ein Volvo heute aus wie ein Audi, ein Mazda wie ein Ford, ein VW wie ein Renault. Die Vorstellung, als Kind (oder als sturzbetrunkener Erwachsener) in ein Parkhaus zu kommen und dann in einem Heer von Klonen das eigene Auto finden zu müssen, kann da schon zur Horrorvision werden. Selbst das einfachste Mittel für einen größeren Wiedererkennungswert wird inzwischen kaum mehr genutzt: die Farbe. Autos heute sind silber oder schwarz, brav eingereiht in die Uniformität.

Offensichtlich gibt es aber ein paar Leute, die damit nicht einverstanden sind. In der echten Welt sammeln sie Atari-Spiele, kaufen T-Shirts mit dem Ampelmännchen und starten eine Unterschriftenaktion für die Rückkehr des Jungen auf der Kinderschokolade. In der mobilen Welt fahren sie einen New Beetle, einen Mini Cooper – oder den PT Cruiser von Chrysler.

PT Cruiser – das ist keineswegs das Dienstfahrzeug aus „Mission Impossible IV“, sondern ein Gefährt für alle, die der automobilen Vergangenheit nachtrauern. Im Test erweist sich der (mit 4,29 Metern Länge gar nicht so) kleine Gleiter schnell als Sympathieträger – zumal als Cabrio in der luxuriösen Limited-Ausstattung. Wo das geflügelte Chrysler-Logo prangt, ist man eine markante Optik gewohnt, doch der PT Cruiser setzt in dieser Hinsicht mit wuchtigem Grill, viel Chrom und reichlich knuffigen Rundungen noch einen drauf. Mit diesem Design ist der PT Cruiser ein Auto, das polarisiert – und Freu(n)de macht.

Richtig nostalgisch wird es aber erst im Interieur: Über dem Handschuhfach gibt es einen Griff wie beim VW Käfer, der dem Beifahrer das Einsteigen erleichtert. Die Uhrzeit wird natürlich analog und mit Zeigern angezeigt. Wer Abkühlung braucht, dreht ganz klassisch an drei Temperaturreglern, der Knopf für die Klimaanlage wird fast heimlich versteckt.

Ein Fest für Puristen ist das Stoffdach, das sich zwar innerhalb von zehn Sekunden elektrisch schließt und öffnet, aber mit einem kräftigen Ruck an einem Drehgriff verriegelt werden muss. Weil das Dach nicht im, sondern auf dem Kofferraum zusammengefaltet wird, gibt es dort reichlich Platz: 521 Liter Fassungsvermögen sind für ein Cabrio enorm.

Allerdings hat der Ami, der in Mexiko gebaut wird, auch seine Macken. Das Armaturenbrett mit Reglern aus Plastik passt weder zum Retro-Look noch zum ansonsten edlen Ambiente. Bei Spurrinnen verfällt der Wagen leicht in empfindliches Schaukeln. Vor allem aber ist er hüftsteif. Zwar gibt der Testwagen mit der Topmotorisierung als 2,4-Liter-Vierzylinder beim Kickdown ein leichtes Pfeifen und einen Sound von sich, der an ein Motorrad erinnert. Doch die Beschleunigung kann nicht mithalten: 143 Pferdestärken und 214 Newtonmeter haben mit den anderthalb Tonnen Leergewicht spürbar zu kämpfen. Selbst wenn man die Gänge bis 6000 Touren ausdreht, wird der PT Cruiser kaum dynamisch.

Das mindert nicht nur den Fahrspaß, sondern kann bei im Alltag wichtigen Sprints wie von 80 auf 120 km/h oder von 120 auf 150 auch richtig ärgerlich sein. Einen wenig überzeugenden Eindruck macht auch das Automatikgetriebe, das zu träge auf die Befehle von den Pedalen reagiert und zudem mit nur vier Gängen einfach zu schmal bestückt ist. Das treibt auch den Verbrauch in die Höhe: Mit sehr bedächtigem Gasfuß ließ sich der Wagen mit acht Litern Normalbenzin fahren. Wenn man es eilig hatte, schluckte der Chrysler aber auch leicht über 14 Liter.

Fans des Cruisers werden dies jedoch gerne in Kauf nehmen. Denn was hier zählt, ist Spirit statt Sparsamkeit, Lifestyle statt Laufruhe. Bewundernde Blicke im Stau, Komplimente von Wildfremden auf dem Parkplatz oder die eine oder andere grüßende Lichthupe von Gesinnungsgenossen im Stadtverkehr wiegen die kleinen Mängel mehr als auf. Und zeigen, dass doch nicht nur die inneren Werte zählen – ganz wie in der echten Welt.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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