Künstler | Cosmo Sheldrake | |
Album | The Much Much How How And I | |
Label | Transgressive | |
Erscheinungsjahr | 2018 | |
Bewertung |
In meinen Notizen zu dieser Platte tauchen folgende Begriffe auf: The Beatles, Mardi Gras, russische Klassik. Jetzt habe ich mich, nach der zunächst unbefangenen akustischen Begegnung mit The Much Much How How And I, auch mit den Eckdaten dieses Debütalbums beschäftigt. Und da finden sich im Presse-Info die Begriffe: The Beatles, Mardi Gras, Igor Stravinski.
Ist die Musik von Cosmo Sheldrake deshalb vorhersehbar? Nichts könnte weniger wahr sein. Der 27-Jährige aus London, der zu seinen Einflüssen neben den erwähnten Größen und der ebenfalls erwähnten Reise nach New Orleans auch die Kinks und Moondog zählt (man darf wohl auch Björk hinzurechnen, für die sein Co-Produzent Matthew Herbert schon tätig war), bietet einen sehr ungewöhnlichen Sound mit vielen Flöten und anderen Holzbläsern, oft exotischen Rhythmen und einem noch öfter cineastischen Effekt.
Der Auftakt Linger Longer klingt wie eine Schlangenbeschwörung, die von einem ganzen Orchester gespielt wird, bloß der Sänger hat davon noch nichts mitbekommen und bleibt in einem fast beiläufigen Storyteller-Modus. Das folgende Wriggle wirkt, als hätten sich Peter und der Wolf auf einen verlassenen Vergnügungspark verirrt, der nachts zum Leben erwacht. Zum Solar Waltz kann man sich gut eine Karawane vorstellen, die durch die Wüste zieht. Pliocene würde nicht nur wegen des Vogelzwitscherns gut zum Hidden Orchestra passen, sondern auch wegen des beträchtlichen Maßes an Abstraktion.
Erstaunlich für einen Multiinstrumentalisten wie Cosmo Sheldrake ist dabei, wie wichtig auf The Much Much How How And I auch sein Gesang ist: In Birth A Basket, dem dritten Stück des Albums, ist er erstmals nicht bloß Zusatz, sondern zentrales Element. In Mind Of Rocks wird er durch die Stimme von Bunty bereichert, begleitet von einem ausnahmsweise elektronischen Beat, was sich als wichtiger Kontrapunkt für die Dramaturgie der Platte erweist.
Noch beeindruckender (wenn auch nicht ganz so überraschend bei einem Mann, der Anthropologie studiert hat) ist die Vielfalt der Einflüsse: Linger A While bekommt Menuett-Charakter, in jedem Fall hätte man auch am Hof von Ludwig XIV. schon gewusst, wie man dazu tanzen soll. Beetroot Kvass ist eher elektronisch geprägt und bleibt quasi instrumental. Spring Bottom erweckt den Eindruck, die beteiligten Musiker hätten spontan alles als ein Instrument benutzt, was irgendwie gerade greifbar war. Birthday Suit bekommt Novelty-Charakter und wäre wohl selbst den Beatles zu Magical Mystery-Zeiten zu schräg gewesen. Hocking betont erst den Rhythmus und wird dann zu einem Karneval irgendwo zwischen Mardi Gras und einer Abschlussparty all der Tiere im Dschungelbuch.
Dass bei all diesen Facetten nirgends Chaos oder Beliebigkeit aufkommt, ist den Fähigkeiten von Cosmo Sheldrake als Komponist und Arrangeur geschuldet. In den besten Momenten wird The Much Much How How And I sogar wirklich eingängig: Die Single Come Along beweist, dass er auch mitreißend und tanzbar sein kann. Axolotl beeindruckt mit einer schönen Melodie, die auch zu einem weniger ungewöhnlichen Backing Track einnehmend wäre. Egg And Soldiers schließlich ist so etwas wie die Quintessenz dieses Albums und der Ästhetik von Cosmo Sheldrake: Die Arbeit mit Instrumenten, Gesang und Geräuschsamples ergibt bei ihm einen ziemlich einmaligen und extrem faszinierenden Mix.
Läuse sind auch nur Menschen, zeigt das Video zu Come Along.
https://www.youtube.com/watch?v=qe79wTFoDGU
Cosmo Sheldrake gibt es bald live in Deutschland:
10.04. München – Kranhalle
11.04. Köln – Artheater
12.04. Hamburg – Molotow
13.04. Berlin – Lido