Künstler | Das Objekt | |
EP | Das Objekt | |
Label | Eigenverlag | |
Erscheinungsjahr | 2019 | |
Bewertung |
Ich habe diese im Eigenverlag erschienen Debüt-EP mit einem großen Sympathiebonus aufgelegt. Erstens haben mir Das Objekt persönlich geschrieben, sie würden sich „derbe freuen“, wenn ich mich ihren Songs mit einer Kritik widmen könne, mit handschriftlich ausgefülltem Briefumschlag und der Handynummer des Sängers. Das kommt nicht so oft vor. Zweitens bin ich, wie fast alle Musikkritiker, natürlich selbst ein gescheiterter Rockstar. Auch ich habe mal in einer Band gespielt, auch wir haben unsere Musik selbst vertrieben, sogar das Genre war ziemlich gut vergleichbar (irgendwas, das von Grunge ausgelöst wurde und sich mit Gitarre, Schlagzeug, Bass machen ließ). Der Bass war dabei mein Metier, und dass dieses Instrument in den sechs hier versammelten Liedern besonders prominent und besonders originell ist, gibt natürlich ebenfalls Pluspunkte.
Das war es dann aber auch schon mit den positiven Aspekten. Jan David (Gesang), Andreas Bach (Gitarre), Christian Plinke (Bass) und Richard Meier (Schlagzeug), die sich an Referenzen wie Turbostaat und Queens Of The Stone Age orientieren, haben eine EP gemacht, die vom musikalischen Handwerk her mehr als achtbar ist. Das Problem der Band aus Osnabrück sind die Texte.
Man erkennt hier, dass sie bestimmt anständige Jungs sind, mit korrekter Haltung – trinkfest kann man sich bei diesem Quartett ebenso vorstellen wie Straight Edge. Sie widmen sich wichtigen Themen wie Kindesmissbrauch (Dunkelziffer), stumpfem Leistungswahn oder Gewalt im Fußball. In Kilometerweit zitieren sie den Schlachtruf der französischen Revolutionsarmee, den hierzulande Georg Büchner berühmt gemacht hat: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen.“
Leider passiert das alles ohne eine Spur von Poesie oder auch nur Originalität. Der erste Song Niemand macht das bereits deutlich: Der Text ist krude und will offensichtlich mit Dummschwätzern abrechnen, erweist sich aber selbst als nicht allzu klug; weder Reim noch Metrum passen. Am besten ist die zweite Hälfte, weil Das Objekt da instrumental auf den Spuren beispielsweise von Soundgarden wandeln. Auch Angst („Ich habe große Angst vor dir / denn du hast große Angst vor mir.“) ist schwach und plump. Alles auf dieser EP ignoriert sträflich die Tatsache, dass Kunst stets auch ein Geheimnis haben sollte.
Noch ärgerlicher ist der Besserwisser-Gestus, den man vielen Texten entnehmen kann, und der natürlich kein bisschen zum propagierten Einsatz für den kleinen Mann passt. „Wieder ordentlich Hass angestaut, die ganze Woche nur versagt“, wird in Abseits der übliche Hooligan charakterisiert, der seinen Frust dann samstags beim Fußball herauslässt. Wenig später gibt es ein Lied namens Nicht mein Ding mit den Zeilen: „Ihr geht mir auf den Sack / behaltet eure Scheiße für euch.“ Aus diesen Versen sprechen drei Dinge, die leider typisch sind für die Texte der EP. Erstens: Egozentrik. Zweitens eine Unzufriedenheit mit der eigenen Situation und die offensichtliche Ohnmacht, etwas daran zu ändern. Drittens: eine Unfähigkeit, Konflikte ertragen oder gar lösen zu können. Diese Haltung ist dann gar nicht so weit weg von den VfL-Schlägern, die drei Lieder vorher noch als Deppen dargestellt werden.