Autor | David F. Ross | |
Titel | Schotten dicht | |
Originaltitel | The Man Who Loved Islands | |
Verlag | Heyne Hardcore | |
Erscheinungsjahr | 2018 | |
Bewertung |
Der zweite Teil der Trilogie, die der schottische Autor David F. Ross hier abschließt, hieß im Original The Rise And Fall Of The Miraculous Vespas (deutsch: Schottenrock). Richtig viel Niedergang gab es darin aber gar nicht. Die im Titel benannte Band implodierte zwar kurz nach ihrem ersten Hit, damit endete das Buch aber auch. Was Abstieg wirklich bedeuten kann, ist erst hier in Schotten dicht das Thema: Die Hauptfiguren Bobby Cassidy und Joey Miller, die Anfang der 1980er Jahre in der schottischen Provinz Ayrshire beste Freunde und ein gemeinsames DJ-Team waren, sind mittlerweile zerstritten und verbittert.
Joey, der sich im reiferen Alter mittlerweile lieber Joseph nennt, hat als Architekt eine beachtliche Karriere hingelegt, wird aber gerade aus seiner eigenen Firma ausgebootet. Er flieht vor den Konflikten zuhause auf Dienstreisen nach Asien und plant, seine Memoiren zu schreiben. Bobby war einmal ein Star-DJ und hatte mit einem Remix ein erstes Revival der Miraculous Vespas möglich gemacht. Jetzt ist ihm in seiner Villa auf Ibiza nichts mehr als Selbstmitleid geblieben. Die vier Bandmitglieder selbst sind mittlerweile Schriftsteller, Guru, Sozialarbeiter und irgendetwas in der Modebranche. Mit ihrem einstigen Rockstar-Dasein wollen sie alle nichts mehr zu tun haben.
Was sie wieder zusammenführt, ist zum einen der Anruf von Hamish May, eines weiteren Jugendfreundes. Er sieht Bobby immer mehr in die Depression sinken und ahnt, dass einzig eine Versöhnung mit Joey ihn wieder auf den rechten Pfad führen könnte. Zum anderen hat Max Mojo, der einstige Manager der Band, eine verrückt klingende Idee: Er will ein Festival auf die Beine stellen. Die Hauptattraktion sollen, 30 Jahre nach ihrer Auflösung, die mittlerweile legendär gewordenen Miraculous Vespas werden. Das Event soll in Erinnerung an Bobbys verstorbenen Bruder Gary stattfinden (er ist die Figur, die dem Original den Titel The Man Who Loved Islands gibt).
Die kurze Zusammenfassung verweist schon auf ein Problem von Schotten dicht: Wer die ersten beiden Teile der Trilogie nicht gelesen hat, dürfte hier an manchen Stellen kaum durchblicken. Schon diese Romane waren im Figurenensemble so komplex, dass es zur Sicherheit auf den ersten Seiten der jeweiligen Bücher eine Übersicht gab. Solch eine Liste fehlt hier, dabei tauchen etliche der bekannten Protagonisten wieder auf und neue Figuren kommen hinzu. Für alle, die dem Werk von David F. Ross und damit der Geschichte von Bobby und Joey schon von Anfang an folgen, werden hier die Fäden aber gekonnt zusammengeführt.
Manchmal wirkt das Geschehen ein wenig konstruiert, vor allem im rasanten Finale. Auch in den ersten beiden Teilen gab es bei diesem Autor manchmal zu viel Handwerk und zu wenig Intuition. Hier wird Ross zudem gelegentlich zum Opfer seines eigenen Formats, weil er vor der Aufgabe steht, mehrere weit voneinander entfernte Zeitebenen innerhalb dieses Buchs und zudem die gesamte erzählte Zeit der Trilogie zu einem schlüssigen Ende zu bringen. Wie schon in den ersten Teilen hat er aber auch ein beträchtliches Pfund, mit dem er wuchern kann: die intime Kenntnis und unverkennbare Begeisterung für Musikszene und Popkultur, vom britischen Indierock der 1980er Jahre über die House- und Techno-Ära auf Ibiza bis hin zur globalen Gegenwart mit Guerilla-Marketing und Social-Media-Kampagnen.
Vor allem für Pop-Freunde wird auch der dritte Roman des Schotten, der im Hauptberuf selbst Architekt (und natürlich offenkundig riesiger Musikfan) ist, deshalb höchst unterhaltsam. Auch alle anderen Leser finden hier originelle Ideen, glaubhafte Figuren und gute Dialoge. Die Spannung erwächst aus alten Konflikte, verletzten Eitelkeiten und nie erloschenen Schwärmereien, natürlich auch aus der Frage, ob das wahnwitzige Vorhaben gelingt, für das der schillernde Max Mojo zur treibenden Kraft wird: ein Festival auf einer unbewohnten Insel, mitten in einem Naturschutzgebiet, ohne jegliche Infrastruktur wie Strom, Catering und Sanitäranlagen, mit einem Headliner, der gar nicht mehr existiert. Bevor diese Idee in die heiße Phase eintritt, erweist sich Schotten dicht im Vergleich zu den ersten beiden Teilen als deutlich ernsthafter: Der Roman hat mehr Tiefgang. Viele Passagen in den ersten beiden Dritteln setzen eher auf ein Psychogramm als auf einen rasanten Plot. So schreibt Joseph an einer Stelle in sein Tagebuch: „Vom Moment unserer Geburt an bereiten wir uns auf das Sterben vor. Manche machen das besser als andere. Das ist der ganze Trick.“
Dieser neue Aspekt lässt vor allem aufmerken, wenn man den Blick auf die Zeit nach dieser Trilogie richtet. David F. Ross hat offensichtlich schon Ideen für weitere Werke, denn er beendet seine Danksagung mit „Bis zum nächsten Mal“ – hier zeigt er, dass vielleicht mehr in ihm stecken kann als ein Chronist wilder Rock’N’Roll- und Party-Zeiten.
Bestes Zitat: „So gesehen haben Bobby und Joseph eine Art der Erlösung in ihrer verrückten Unternehmung gefunden. Sie haben etwas wiedergefunden, das verloren war: die Freude am Leben und die Freude an all den Möglichkeiten, die selbiges immer noch bereit hält. Ihnen ist klar geworden, dass Träume kein Privileg der Jüngeren sind.“