Künstler | Delta Sleep | |
Album | Ghost City | |
Label | Big Scary Monsters | |
Erscheinungsjahr | 2018 | |
Bewertung |
Es gibt viele ungewöhnliche Elemente auf dem heute erscheinenden zweiten Album von Ghost City aus Brighton. Die ungewöhnlichsten sind dabei die beiden Eckpunkte von Ghost City, also der Beginn und das Ende. Die Platte wird eröffnet von Sultans Of Ping. Die Gitarre baut darin so viel Spannung auf, dass der zurückgenommene Gesang zunächst eine Enttäuschung ist, dann aber doch schnell eindrucks- und kraftvoll klingt, als aus der einzelnen Stimme ein kleiner Chor geworden ist. Den Abschluss macht Afterimage, es erweist sich als akustische Version des Openers und zeigt, wie gut die Songs des Quartetts auch ohne Zurschaustellen der hier im Übermaß vorhandenen Virtuosität sind.
Das ist vielleicht die größte Stärke von Devin Yüceil (Gitarre, Gesang), Glen Hodgson (Gitarre), Dave Jackson (Bass) und Blake Mostyn (Schlagzeug): Sie pflegen eine Variante von Math-Rock, bei der es stets um die Wirkung des Songs als Ganzes geht, nicht um das Staunen über einzelne Passagen oder die Überraschung angesichts besonders komplexer Strukturen. Im Vergleich zum Debüt Twin Galaxies (2015) wird das hier noch ein bisschen deutlicher – auch, weil Ghost City etwas weniger heavy ist und manchmal gar die Nähe zu Indie oder Alternative Rock zu suchen scheint. Ein Lied wie Dream Thang könnte man sich gut von Soundgarden vorstellen. Single File klingt wie die Red Hot Chili Peppers mit Hochschulabschluss, von einem entspannten Beginn entwickelt sich der Song über einen sehr guten Groove hin zu purer Emotionalität. Wenn die Spin Doctors 20 Jahre ihrer Karriere einfach übersprungen hätten, könnte ein Stück herauskommen wie Dotwork.
Vielleicht hat zu diesem Plus an Leichtigkeit und Spontaneität auch die Entstehungsweise des Albums beigetragen, denn Delta Sleep haben die neuen Lieder im Piemont aufgenommen. „Uns ist klar geworden, dass die Sessions in Italien uns genauso viel kosten würden wie ein Studio zuhause. Also haben wir uns für diese Variante entschieden und noch unseren Freund und Produzenten Mark Roberts eingeladen. Auf dem Weg dorthin haben wir ein paar Konzerte gespielt, und damit waren die Kosten schon weitgehend gedeckt“, sagt Frontmann Devin Yüceil. Außerdem konnte die Band das neue Material, das über einen Zeitraum von zwei Jahren entstanden war, so bereits live testen.
After Dark zeigt gut, welche Ergebnisse das mit sich bringt: Kaum ist Wucht ober Beschaulichkeit aufgebaut, zerbricht sie schon wieder. In der Single El Pastor ist höchst faszinierend, wie gut die höchst unterschiedlichen Teile ineinander greifen. Sans soleil wird noch komplexer als der Durchschnitt des Albums und zugleich emotional packend. Totz aller Kraft und sogar gelegentlicher Eingängigkeit sind wir bei Delta Sleep natürlich dennoch weiterhin weit von Gute-Laune-Musik entfernt. Dazu tragen nicht zuletzt die Texte bei, die hier mit einem Hang zu zynischem Humor nichts weniger als eine Dystopie entwerfen: Mit der Ghost City ist die gesamte Welt gemeint, die einer kollektiven Gehirnwäsche durch riesige Technologiefirmen unterzogen wurde. Die beiden Instrumentalstücke Ghost und Glass unterstreichen den Konzeptalbum-Charakter, doch auch unabhängig davon ist Ghost City ein Highlight in diesem Genre, wie Floater am deutlichsten beweist: Viel besser und innovativer kann man das uralte Konzept von Laut-Leise-Dynamik nicht umsetzen.