Künstler*in | Delta Sleep | |
Album | Spring Island | |
Label | Sofa Boy Records | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Bewertung | Foto oben: (C) Fleet Union |
Die Musik von Delta Sleep klinge „wie ein Soundtrack zu einem glückseligen utopischen Traum“, hat Gold Flake Paint über das Quartett aus Canterbury geschrieben. Everything Is Noise attestiert ihnen „minimalistische Schönheit“, Visions erkennt „mit Finesse arrangierten Math-Rock mit Indie-Schlagseite“.
Man kann Devin Yuciel (Gesang, Gitarre), Glen Hodgson (Gitarre), Dave Jackson (Bass) und Blake Mostyn (Schlagzeug) also sicherlich mit Recht als Kritikerlieblinge bezeichnen. Spring Island, ihr drittes Album, zeigt aber eine viel wichtigere Qualität von Delta Sleep: So komplex, ungewöhnlich und beeindruckend die Stücke dieser Band sind, so sehr sind es doch auch Songs, die man mit großer Leidenschaft ins Herz schließen kann.
Ein Lied wie die Single The Detail unterstreicht das: Es macht seinem Songtitel alle Ehre, es hat zudem viel Vorwärtsdrang (auch wenn diese Bewegung nicht entlang einer geraden Linie erfolgt). Vor allem aber findet man ganz viel Emotion, Wärme und Spannung inmitten all des Gefrickels. „Zum ersten Mal in unserer Karriere haben wir als komplette Band einen Song von Grund auf in einer einzigen Session geschrieben“, sagt Jackson über den Track. Die sonst notorisch produktive Band (auf das 2018er Album Ghost City, das Platz 1 in den Rock Charts von Bandcamp erreichte, folgten neben reichlich Konzerten beispielsweise mehrere EPs und ein Livealbum) hatte während der Corona-Einschränkungen eine Pause machen müssen, bevor die vier Musiker dann im Sommer 2020 im Grouse Lodge Studio in Irland ans Werk gehen konnten. „Es war die erste Idee, die wir bei unserer ersten Probe hatten, nachdem wir fast sechs Monate lang nicht zusammen in einem Raum waren. Sie kam buchstäblich aus dem Nichts und wir hatten den Großteil des Songs und der Struktur innerhalb von ein paar Stunden im Kasten. Dieser Song hat für uns alle vier eine ganz besondere Bedeutung.“
The Detail zeigt mit seiner Reflexion über Mental Health und (durchaus auch gesellschaftliche) Depression zudem, dass Delta Sleep nicht nur virtuose Intrumentalisten sind, sondern auch etwas zu sagen haben. Planet Fantastic ist mit seinen Verweisen auf Umweltzerstörung ein weiteres Beispiel dafür, genauso wie die beiden Stücke, die Spring Island einrahmen: Water Fall eröffnet das Album sehr hübsch, wird dann schräg und ist nach 99 Sekunden plötzlich zu Ende, als es sich gerade schon wieder zu verwandeln schien. Water Rise ist am Ende der Platte das akustische Gegenstück dazu, auch dieses Klanggewand steht ihnen dabei wunderbar.
Die stilistische Bandbreite dazwischen ist nichts weniger als erstaunlich. Wer will, darf zu View To A Fill vielleicht Emo sagen, in Contender kann man ein bisschen Funk erkennen, vor allem aber auch hier Feingefühl, Ideenreichtum und Fantasie. So wie das angedeutet hymnische Old Soul klängen Biffy Clyro vielleicht, zwänge man sie zwei Jahre in ein Konservatorium. Forest Fire beginnt reduziert und New-Wave-düster, dann erklingt etwas, das verfremdete Bläser und ein rückwärts laufender Beat sein könnten. In Spun sorgt eine überraschende Orgel für einen Hauch von Heiterkeit.
Hotel bleibt in der ersten Hälfte schwebend und fast besinnlich, trotzdem merkt man in jedem Moment, wie heavy die musikalische Sozialisation von Delta Sleep war, was in der zweiten Hälfte dann auch deutlicher zur Geltung kommt. Bei The Softest Touch kann man hingegen tatsächlich mitsingen, und sogar tanzen, zumindest streckenweise (es gibt auf der Platte auch einen Song namens Dancing Music, aber dieser Titel ist offensichtlich pure Ironie).
„Dieses Album repräsentiert sicherlich einige der Kämpfe, denen wir alle in den vergangenen 15 Monaten begegnet sind, und den Effekt, den die Isolation auf uns als lebende, atmende Kreaturen, die sich nach Interaktion sehnen, haben kann“, sagt Jackson. Tatsächlich hat die Band diese Erfahrung so genutzt, wie man es fast hatte von ihr erwarten können: kreativ, produktiv und einzigartig.