Deptford Goth – „Songs“

Künstler Deptford Goth

Deptford Goth Songs Review Kritik
Deptford Goth macht keine Experimente mehr, sondern „Songs“.
Album Songs
Label 37 Adventures
Erscheinungsjahr 2014
Bewertung

Songs. Dieser Albumtitel klingt sagenhaft lust- und einfallslos. Selbst als zynisches oder ironisches Statement wäre er nicht sonderlich gelungen. Daniel Woolhouse alias Deptford Goth hat sich aber natürlich etwas dabei gedacht, und seine Beweggründe sind weit von Ignoranz entfernt. Die Lieder auf seinem zweiten Album nach dem gefeierten Debüt Life After Defo (2013) sind tatsächlich eher Songs, viel zugänglicher und viel weniger experimentell als die früheren Stücke.

Zu seinem Electronica-Fundament haben sich sehr hörbar ein paar mehr Singer-Songwriter-Elemente gesellt. „Das war keine bewusste Entscheidung. Aber ich fühle mich mittlerweile wohler mit meiner Stimme, deshalb ist sie nun etwas prominenter zu hören“, sagt Woolhouse. „Das hat dazu geführt, dass die Songs eine etwas klassischere Struktur bekommen haben. Mir war es auch wichtig, dass die Texte zu verstehen sind. Es ist eine Entwicklung hin zu Stücken, die eindeutiger und ehrlicher sind.“

Die Ergebnisse sind erstaunlich. Dust ist nichts anderes als eine Klavierballade, bei Two Hearts ist keine Spur mehr vom Goth in seinem Künstlernamen, stattdessen wird der Track rein und schön wie beispielsweise die besten Momente von James Blake. Im Album-Abschluss A Shelter, A Weapon schält sich aus dem wundervollen Versprechen „If you want me, you can have me ‚til the end of time“ nach und nach ein immer präsenterer Beat heraus. Auch We Symbolise hört man deutlich die Entstehung am Klavier an, wie in etlichen Passagen der Platte hat auch hier der mehrstimmige Gesang einen tollen Effekt.

Relics eröffnet Songs mit verschüchterter Stimme, zu der sich dann ein Beat und später eine irritierende E-Gitarre gesellen. Von Anfang an ist da Schönheit zu erkennen, Eleganz, sogar Optimismus. Auch Do Exist verströmt viel Wärme, durch ein Rhodes ebenso wie durch die Stimme, die uns scheinbar in den Schlaf wiegen möchte. The Loop schwingt sich, angetrieben von Percussions, immer höher auf. “In einigen Passagen von Life After Defo konnte man auch schon Hoffnung erkennen. Dieses Album ist aber insgesamt heiterer. Ich verkrieche mich nicht mehr, sondern öffne mich und bin mehr mit mir im Reinen“, erklärt Woolhouse.

Wie man das bei Deptford Goth kennt, versteht er es wieder sehr geschickt, mit stilsicheren Details für Abwechslung oder Irritation zu sorgen. Code hat einen sehr interessanten Rhyhtmus, als hätten Paul Simon oder Peter Gabriel ihre Vorliebe für Afrikanisches komplett digital umgesetzt, und zwar als Lied voller Reue und Trauer. A Circle hat eine tolle Melodie und wird ebenso einfühlsam wie tröstlich – der Chor und die Bläser erweisen sich darin als echte Bereicherung nicht nur für dieses Stück, sondern für das Album insgesamt. Noch etwas zärtlicher wird The Lovers: Woolhouse singt hier nicht nur von „making babies“, die Musik scheint in der Tat bestens als Soundtrack zu dieser Tätigkeit geeignet zu sein.

Near To A River heißt ein Stück auf Songs, das wie eine Meditation klingt, der Titel verweist dabei auf einen weiteren wichtigen Punkt für den veränderten Sound und Charakter bei Deptford Goth: Woolhouse ist nach dem Debüt aus London ans Meer gezogen. “Es ist hier sehr friedlich. Und weil ich mehr Platz habe, konnte ich eine Dinge ein bisschen ausgefeilter entwickeln.“ Den letzten Beweis dafür, dass hier von Lieblosigkeit keine Rede sein kann, liefert der Blick aufs Cover des Albums, das wie beim Vorgänger wieder von Jordan Kasey gestaltet wurde. “Ich wollte dabei ganz bewusst Kontinuität“, sagt Woolhouse. „Ich wollte etwas Figürliches, das aber auch an eine Landschaft erinnert. Es stellt für mich eine Verbindung zwischen dem physischen Selbst und seiner Umgebung dar – und das ist eines der wichtigsten Themen des Albums.“

Im Video zu Two Hearts scheint die Hoffnung eher am Horizont zu sein als in Woolhouses Gesicht.

Daniel Woolhouse bei Facebook.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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