Desire Marea Soloalbum

Desire Marea – „Desire“

Künstler*in Desire Marea

Desire Marea Review Krititk
„Desire“ ist das Solodebüt von Desire Marea.
Album Desire
Label Mute
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung Foto oben: Mute / Jamal Nxedlana

Substanz ist etwas, was man in der Modewelt wohl am wenigsten erwarten sollte. Alles an dieser Branche ist Oberfläche, schöner Schein und Kalkül. Wenn also bei einer Fashion Week die Musik des südafrikanischen Kollektivs FAKA gespielt wird, sollte man nicht allzu viel darauf geben. Schließlich können die Designer und Modelabels damit gleich in mehrfacher Hinsicht ihr Image polieren: Sie sind divers, mutig und modern – so soll dann wohl die akustische Botschaft lauten.

Natürlich muss das im Umkehrschluss nicht bedeuten, dass dann auch die Musik substanzlos ist, die dort am Laufsteg erklingt. Das zeigt Desire Marea (bürgerlich: Buyani Duma, nonbinär, in Durban lebend und eine Hälfte von FAKA) mit dem nichts weniger als spektakulären Debütalbum Desire. Die Platte ist im Januar 2020 bereits digital auf dem eigenen Label von FAKA (Izimakade Records) veröffentlicht worden, nun bringt Mute sie erstmals als physischen Tonträger heraus.

„Marea gehört zu einer neuen Generation unabhängiger Künstler, die Stimme, Musikalität und Performance mit allen Sinnen wahrnehmen. Es ist diese verkörperte Vitalität, die es Desire ermöglicht, so fließend zu Geist, Körper und Seele zu sprechen“, hat Pitchfork über die Platte geschrieben. „Episch, unheimlich, königlich (…) so roh, so schusselig und doch so gewollt“, lautete das ebenso treffende Urteil von PopMatters.

Was sie meinen, zeigt beispielsweise Zibuyile Izimakade (übersetzt: „Die Götter sind zurückgekehrt“, ohnehin ist der Blick auf das Sakrale und Transzendente ein wichtiges Thema für Desire Marea): Der Track ist flirrend und erhaben, man meint Field Recordings ebenso zu erkennen wie Streicher und Club-Beats. Es gibt wilde Trommeln und Chöre, die auch aus einer Oper kommen könnten, im Ergebnis wirkt es ungefähr so, als würden Erasure in Zulu singen.

Ein Stück wie Thokozani experimentell zu nennen, wäre schamlos untertrieben, das abgefahrene The Void ist näher an einem Horror-Hörspiel als an Clubmusik. Die Single Tavern Kween integriert Bläser meisterhaft und hoch kreativ in das weiterhin vom Beat geprägte Arrangement und landet damit irgendwo zwischen Kraftwerk und Hercules & Love Affair. Der Song ist Desires Tanten gewidmet, die sich immer gerne in den Tavernen ihres Heimatorts Amandawe herumgetrieben haben, obwohl die Männer das eigentlich unterbinden wollten. „Es ist eine Ode an sie, eine Ode an den Trotz und die weiblichen Manifestationen überall, eine Ode an die Menschen, die in der Nacht lebendig werden, an die Menschen, die es genießen, frei zu sein, und auch eine Ode an die Menschen, die ihre Freiheit vehement einfordern.“

In You Think I’m Horny geht es dann doch um so irdische Dinge wie Lust und die Verwirrung, die sie erzeugen kann, sogar, wenn (noch) gar keine anderen Menschen beteiligt sind. Der Track baut sehr gekonnt Spannung auf und zeigt, dass Desire Marea auch in solche Themen ein paar grundsätzliche Reflexionen wie „Why should I try so hard / to make sense“ einbauen kann. Die Zeilen „You played with my feelings / time / body / life“ in Ntokozo wirken hingegen ziemlich anstrengend, die Larmoyanz des Songs wird durch die extravagante Instrumentierung dabei nicht kaschiert, sondern eher noch verstärkt.

Wie viel Ambition in Desire steckt, verdeutlich am besten der fast zehnminütige Album-Schlusspunkt Studies In Black Trauma. Die ersten Zeilen lauten „I want to touch the God in you / so you can feel the spirit in me“, ausgesprochen von einer verfremdeten Stimme, die eher nach Satan klingt. Was dann folgt, ist ein Sound, als ob die Musik von John Carpenter tatsächlich abgrundtief böse wäre, erst zur Hälfte des Songs kommt Licht hinein, im letzten Viertel dann sogar so etwas wie Hoffnung und Versöhnung. Man kann ziemlich sicher sein, dass man so etwas in diesem Jahrtausend noch nicht gehört hat.

„Das ist Musik, die sich wirklich neu anfühlt. Es kommt nicht jeden Tag vor, dass man ein Debütalbum findet, das so auffallend originell ist“, hat Brooklyn Vegan attestiert. Das wird wohl auch noch eine Weile so bleiben: Desire Marea arbeitet schon an neuem Material.

Weiblichkeit ohne Frauen gibt es auch im Video zu Tavern Kween.

Desire Marea bei Bandcamp.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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