Die Fantastischen Vier gratulierten während ihrer Show artig (und immer wieder) zu „20 Jahren Highfield“, auch wenn dieses Jubiläum schon im Vorjahr gefeiert wurde. Madsen erinnerten daran, dass sie bereits ihren siebten Auftritt bei Ostdeutschlands größtem Indie-Rock-Festival spielen. Auch The Hives schienen ein wenig in der Vergangenheit zu schwelgen: Sänger Howlin’ Pelle Almqvist war kurz davor, die Fans in der Nähe von Leipzig mit „Hello, Deichbrand“ zu begrüßen (dort hatte seine Band im Juli gespielt), schaffte es dann aber doch noch, die letzte Silbe geschickt zu vernuscheln. Ansonsten ging es am Störmthaler See aber natürlich nicht um die Vergangenheit, sondern – wie es sich für ein Festival gehört – um die Gegenwart. Und da hat das Highfield wieder einmal reichlich geboten. Sieht man von der spontanen Absage von Bad Religion ab, die aus familiären Gründen die letzten beiden Shows ihrer Europatournee nicht spielen konnten, gab es eigentlich nichts, was nicht gepasst hätte. Ein paar Acts und Randerscheinungen ragten natürlich trotzdem heraus. Deshalb hier (in no particular order): die 10 Gewinner des Highfield 2018.
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Gloria. Gerade noch so für die Top40 hat es gereicht, als Mark Tavassol und Klaas Heufer-Umlauf vor einem knappen Jahr ihr drittes Album Da veröffentlichten. Wie gut ihr Sound aber im Kontext eines sonnigen Festivalnachmittags weiterhin funktioniert, machte die Show am Highfield-Samstag klar. Entspannt, engagiert, romantisch – solche Attribute passen wunderbar für diese Momente, egal ob man hinter dem Sound-Turm etwas ausruht oder direkt vor der Bühne schmachtet („Unter unseren Klamotten sind wir völlig nackt“, konterte Klaas Heufer-Umlauf übrigens sehr galant die „Ausziehen“-Rufe). Der Anteil derer, die hier wegen der Musik kommen und nicht, weil sie den Sänger als Moderator kennen, dürfte beim nächsten Mal weiter steigen.
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Dopkick Murphys: Der Slot am Freitagabend, kurz nach Lokalmatador Clueso (der ebenso wie Billy Talent am Freitag die Show nachholte, die 2017 wegen eines Unwetters beim Highfield nicht stattfinden konnte) und teilweise in Konkurrenz zur beeindruckend großen Fanschar von Bilderbuch, schien undankbar. Doch die Band aus Boston bewies wieder einmal, dass es in Ostdeutschland eine seltsame geistige Nähe zu irisch geprägtem Folkpunk zu geben scheint, wie tags darauf auch die Show von Flogging Molly bestätigte. Am Guinness-Konsum konnte diese Begeisterung übrigens nicht liegen: Es gab keins auf dem Highfield, ich habe das gründlich recherchiert.
- Das Gelände: Trotz der hochsommerlichen Temperaturen blieben Staubwolken wie in einigen der Vorjahre diesmal weitgehend aus. Es hat sich ausgezahlt, dass die Veranstalter unmittelbar vor dem Festival noch einmal Parkplätze, Fußwege und das Veranstaltungsgelände gewässert haben, auch der recht üppige Gewitterregen am Freitagabend war natürlich hilfreich. Menschen mit Mundschutz, der etwa 2016 tatsächlich angebracht war, konnte man jedenfalls kaum noch entdecken. Ein Vorteil bei der großen Hitze war natürlich auch die Bademöglichkeit direkt neben den Bühnen. Nicht zuletzt konnte man am Störmthaler See mal wieder erleben, wie hilfreich es ist, wenn es auf einem Festivalgelände (einschließlich der Zeltplätze) zumindest ein paar Bäume und andere Schattenspender sowie kurze Wege zwischen den Bühnen gibt. Das war auf jeden Fall auszuhalten.
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Donots: Sie waren sehr kurzfristig (am Donnerstag) als Ersatz für Bad Religion eingesprungen. So viel Spontaneität wirkt zwar weniger spektakulär, wenn man weiß, dass die Donots ohnehin gerade auf Tour beziehungsweise im Festival-Modus sind. Aber wie sehr sie (und die Fans) diese Behelfslösung als Chance begriffen haben, war beeindruckend. Und eine Bad-Religion-Coverversion gab es als Trostpflaster auch.
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The Wombats: „Als wir zum ersten Mal beim Glastonbury gespielt haben, hatten wir ein Zelt – und ich habe es nicht mehr wieder gefunden. Ich musste über das ganze Gelände laufen und die Namen der anderen rufen, bis sie mich endlich irgendwann gehört haben. Damals habe ich mir geschworen, dass ich nie wieder campen werde“, hat mir Matthew Murphy 2012 im Interview beim Highfield erzählt. Dass der Sänger der Wombats mittlerweile deutlich besser auf Festivals zurechtkomt, bewies auch die Show des Trios am Sonntag. Neben reichlich Hits und bestem Wetter war es dabei auch schön zu sehen, wie gut die Chemie innerhalb der Band mittlerweile offensichtlich wieder ist. Die Wombats hatten anscheinend fast so viel Spaß wie das begeisterte Publikum.
- Das Profil: Auf das Line-Up beim Highfield kann sich mittlerweile weitgehend blind verlassen, weil die Macher ein Profil gefunden haben, das wenige große Festivals hierzulande in dieser Schärfe vorweisen können. Auf drei Säulen ruhte das Highfield auch in diesem Jahr wieder: Erstens klassischer Rock, der gerne eher zu hart als zu Indie sein darf. Zweitens kluger Deutschrap. Drittens charmante Songwriter, ebenfalls gerne mit deutschen Texten. Es gab 2018 wenige Acts (etwa Parov Stelar oder Gogol Bordello), die sich nicht in eine dieser drei Kategorien fassen ließen, und die Fans beim Highfield schätzen offensichtlich diese Verlässlichkeit: Am Samstag gingen auch die letzten der 35.000 verfügbaren Tickets über den Schalter, damit war das Festival erneut ausverkauft. Das bedeutet übrigens auch: Mittlerweile haben mehr Fans das Highfield am neuen Standort am Störmthaler See erlebt (245.000 seit 2010) als vorher in den zwölf Jahren am Stausee Hohenfelden bei Erfurt (insgesamt 244.000).
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Marteria: Es dürfte nicht allzu viele Headliner geben, die am Nachmittag schon ein kleines Spontankonzert zwischen den Imbissständen auf dem Weg zum Haupteingang spielen. Erst recht nicht, wenn diese Show auch noch neben einem neonfarbenen Monstertruck stattfindet. Marteria war beim Highfield 2018 dieser Headliner, und er holte auch noch seinen Kumpel Casper dazu, um das anstehende gemeinsame Album (1982 erscheint am 31. August) zu promoten. Wie viel Bock der Rostocker auf diese Platte hat, zeigte sich dann auch beim eigentlichen Auftritt zum Highfield-Abschluss am Sonntagabend: Auch da war Casper dabei, außerdem wurde klar, dass Marteria nichts weniger als die beste Stimme aller beim Highfield auftretenden Künstler hat. Wer sich 1998, als das Highfield erstmals stattfand, noch gefragt hat, wie zur Hölle ein Mann mit einem Mikrofon und deutschem Sprechgesang eine riesige Festivalbühne ausfüllen soll, der kann hier erleben, wie perfekt dieses Konzept aufgehen kann.
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Die Fantastischen Vier: Als die Stuttgarter 1999 (also bei der zweiten Auflage des Festivals) erstmals auf der Highfield-Bühne standen, hatten sie schon vier Alben im Gepäck, die hierzulande insgesamt rund 2 Millionen Mal verkauft worden waren. Der vielleicht größte Beleg für ihr Selbstvertrauen (und die Stärke der jüngeren Tracks) ist, wie sparsam sie in ihrem Set am Sonntagabend mit dem Material aus dieser Phase umgegangen sind. Natürlich gab es MfG, Sie ist weg und Tag am Meer. Tatsächlich fast noch mehr gefeiert wurden aber Danke, Zusammen oder Ernten, was wir säen – also durchweg Stücke aus diesem Jahrtausend. Es dürfte wenige deutsche Acts mit einer so langen Geschichte geben, die das von sich behaupten können. Da verzeiht man ihnen sogar Pipis & Popos.
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Bosse. Wie bei Clueso und Billy Talent war auch sein geplanter Auftritt 2017 geplatzt. Beinahe könnte man meinen, Aki Bosse hätte sich nun ein ganzes Jahr lang auf diese Show gefreut. Es war mehr als ansteckend zu sehen, wie viel Spaß er auf der Bühne hatte und wie sehr er es genoss, von den Fans beim Highfield so hart gefeiert zu werden. Zum Abschluss des Gigs verteilte er Eis ans Publikum aus einer eigens mitgebrachten fahrbaren Kühltruhe, außerdem gab es später noch ein kleines Akustik-Konzert von Bosse am Strand. Auch wenn Madsen und Kettcar in dieser Kategorie eine harte Konkurrenz waren, legte er eindeutig den sympathischsten Auftritt des Jahres hin.
- Die Stimmung: Womöglich liegt es am schon erwähnten passgenauen Profil beim Highfield oder an dem ebenfalls erwähnten wunderhübschen Gelände: Wieder einmal war es selbst auf den Zeltplätzen und bei der Anreise sagenhaft entspannt. Für den Fall der Fälle (Brandgefahr? Terror? Heimliche Versuche von Frida Gold, sich auf eine der Bühnen zu schummeln?) hatten die Veranstalter diesmal sogar eine große Sirene angeschafft, sie blieb aber bis auf einen Probealarm am Freitag still. Das ist vielleicht das schönste Fazit überhaupt nach dem Highfield 2018: Hier können 35.000 junge Menschen aus unterschiedlichen Gegenden und mit unterschiedlichen Interessen problemlos drei Tage lang friedlich zusammen feiern. Das macht nicht nur Spaß, sondern auch Hoffnung.