Künstler | Die Kombinaten | |
Album | Lautwort | |
Label | Valve Records | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Bewertung |
Schaut man sich das Booklet von Lautwort an oder die Pressefotos von Die Kombinaten, muss man sich zunächst wundern: Für ein Debütalbum sind Thorsten Neubert (Gesang, Gitarre), Sebastian Ellerich (Gitarre, Gesang), Tim Rashid (Bass) und Marcel Kolvenbach (Schlagzeug, Gesang) eigentlich deutlich zu alt. Dass die Band aus Köln erst heute ihre erste Kombinaten-Platte herausbringt, erklärt sich dann aber doch recht schnell: Erstens haben alle vier Musiker zuvor bei der neunköpfigen Ska-Rock-Band LAX ALEX CONTRAX gespielt. Und zweitens haben sie offensichtlich auch im fortgeschrittenen Alter keine Lust, einer ordentlichen Arbeit nachzugehen.
Man könnte das nun für ein konsequentes Hochhalten der Rock’N’Roll-Fahne halten, aber Die Kombinaten zeigen schnell, dass das eine Fehlinterpretation wäre. Lautwort bietet stattdessen Gitarrenmusik auf einem sehr überschaubaren Niveau und vereint nicht einmal genug Talent, um wenigstens zu regionaler Berühmtheit zu gelangen. Ein Lied wie E-Mail aus Hongkong zeigt das, der einzige Song des Albums, der von Sebastian Ellerich geschrieben wurde: Spam-Mails, Knöllchen und Werbung für Internet-Provider scheinen schon das Aufregendste zu sein, was in seinem Leben passiert. Auch Frontmann Thorsten Neubert, der für die anderen Stücke verantwortlich ist, kann sich kaum hervortun. Der Gesang ist oft deutlich zu leise im Mix, und fast kann man glauben, damit sollen die in der Regel sehr plumpen Texte kaschiert werden.
B&K (das steht für Barbie & Ken) eröffnet das Album mit einem Riff, das an entschärfte Red Hot Chili Peppers denken lässt, und propagiert eine Eigenständigkeit, die man im Sound des Quartetts leider in keiner Form hören kann. Das folgende Vespa 50 N kombiniert Ska und Punk, lässt beides aber zahm und blutleer klingen. Langsam wird allen gefallen, die sich schon immer eine entschleunigte Variante der Spindoctors erträumt haben. Fußball ist Scheiße wird etwas härter im Sound als der Durchschnitt und erinnert daran, dass es auch Fußballhymnen für die Anhänger von Abstiegskandidaten geben muss. Nicht in meinem Namen ist funky und leicht wie Jamiroquai im Festival-Modus. Mit der kurzen B&K Reprise beschließen Die Kombinaten das Album und landen dann doch da, wo sie ursprünglich hergekommen waren: im Reggae.
Freilich kann man der Band einige Kompetenzen nicht absprechen. Geerdet hat ein paar gute Ideen im Songwriting, die Single Klagenfurt wird zu einer straighten Abrechnung mit First World Problems und zugleich das beste Lied des Albums, die Ballade Wer’s glaubt wird selig zeigt, dass Neubert ein zumindest passabler Sänger ist, wenn man ihn aus all dem Muckertum mal heraushören kann.
Viel öfter gibt es aber Fehlgriffe wie Der alte kranke Mann des Pop. Ausgangspunkt für dieses Lied war ein Beitrag von Julian Dörr in der Süddeutschen Zeitung, der darin die Rock-Gitarre als Metapher für den alten weißen Mann benutzt hat. Neubert macht daraus ein Lied, das musikalisch wie Selig ohne Feuer wirkt, und im Text so sagenhaft gestrig ist, dass tatsächlich noch der Konflikt zwischen „handgemachter“ Musik und Sounds aus der Maschine heraufbeschworen wird. Unfreiwillig hat er so womöglich eine Bestätigung für Dörrs These geliefert. Visionen bietet zwar ein paar der weniger misslungenen Textzeilen von Lautwort („Weit verfehlte Klimaziele die direkte Konsequenz / sind bedrohliche Naturschauspiele steigende Tendenz / westlich exportierte Werte heißen Habgier und Profit / und als treuen Weggefährten exportieren wir Armut mit“, zählt zum Höchstmaß an Poesie, das hier erreicht wird) und zeigt, dass das Quartett in puncto politischer Haltung auf der richtigen Seite steht, nervt aber mit einem halbherzigen „Ohoho“ und vor allem einer ekelhaften Perspektive des Herabblickens auf Menschen, die vielleicht bürgerliche Wertvorstellungen, eine konventionelle Idee von Glück und einen 9-to-5-Job haben.
Das ist das größte Problem an dieser Platte: Sie ist nicht nur extrem unoriginell, sondern auch auf ärgerliche Weise selbstgerecht. Auf die Frage, was Die Kombinaten eigentlich wollen, findet man hier meist die Antwort: am liebsten weiter in Ruhe ihr Ding machen. Immer noch besser als richtige Arbeit.