Verbrauch, Verarbeitung, Verhalten bei nasser Fahrbahn – all das mag bei einem Auto wichtig sein. Aber nicht bei einem Alfa Romeo. Wer zu dieser Marke gehört, der ist eitler Verführer, gewiefter Casanova, leidenschaftlicher Liebhaber. Hier geht es um Eleganz, Esprit, Erotik. Vor allem aber: Italianità. Dass er aus einem Land kommt, in dem Autos nicht im Windkanal (sondern im Künstleratelier) entworfen, nicht mit dem Taschenrechner (sondern mit dem Herzen) gebaut und nicht mit dem Wackeldackel im Heckfenster (sondern mit Designeranzug und Sonnenbrille) gefahren werden – das muss man einem Alfa Romeo sofort ansehen.
Erst recht, wenn dieser Alfa auch noch Giulietta heißt. Diesen Namen trug in den 1950er Jahren schon der erste Alfa Romeo, der in Großserie hergestellt wurde. Das Modell wurde in Italien zur Legende, denn es war nicht nur ein Auto, das alle haben wollten, sondern auch der erste Alfa, den sich viele leisten konnten.
Die Neuauflage der Giulietta macht diesem ruhmreichen Vorfahren unbedingt Ehre. Wer Italianità will, der wird hier bestens bedient: Der Sound kündet vom Temperament des Autos, das Design mit der ansteigenden Fensterlinie, dem markanten Scudetto in der Frontansicht und dem wunderschön gestalteten Heck begeistert auf Anhieb. Das mag man bei einem Alfa Romeo nicht allzu außergewöhnlich finden. Stellt man die Giulietta aber neben ihre unmittelbaren Konkurrenten wie Golf, Astra oder Focus, dann sehen die sofort noch ein bisschen blasser aus als ohnehin schon.
Auch innen wird man leicht zum Freund des Kompakten aus dem Alfa-Werk in Piedimonte San Germano, denn hier zeigt sich viel Liebe zum Detail. Die markanten Kippschalter (wie im Supersportwagen 8C Competizione) mittig auf dem Armaturenbrett erinnern an ein Flugzeugcockpit, das Dreispeichenlenkrad möchte man gar nicht mehr loslassen, viel Aluminium sorgt für sportliches Flair. Die Optik verspricht nicht zu viel: Wendig, spritzig, leicht – so fährt sich die Giulietta auch.
Es gibt wenig, was die Begeisterung trüben könnte: Das Heckfenster ist so klein, dass man sich beim Einparken gelegentlich auf die eigene italienische Gelassenheit verlassen muss. Die Bedienung des Navigationssystems samt Radio ist viel zu kompliziert geraten. Und die versteckten Türgriffe hinten (und der nicht existente Griff für die Kofferraumklappe) sind die einzigen Fälle, in denen das Primat des Designs auf Kosten der Praxistauglichkeit ging.
Wer sich nicht mit dem Gewöhnlichen begnügen will, der wird all das gerne in Kauf nehmen. Zumal die Giulietta auch für Kopfmenschen einige Reize zu bieten hat. Beim Verbrauch steht bei leidenschaftlichem Gasfuß eine 8 vor dem Komma, doch wer sich auf eine nicht allzu heiße Zweisamkeit mit der Giuletta einlässt, kommt dank Start-Stopp-Automatik und Schaltpunktanzeige auch locker mit 6 Litern hin. Bei der Verarbeitung erweist sich nicht alles als hochwertig, aber zumindest als solide – und auf jeden Fall viel besser als der Ruf, der Alfa Romeo aus längst vergangenen Klappertagen mitunter noch anhaftet.
Auch das Verhalten bei nasser Fahrbahn stimmt. Serienmäßig hat die Giulietta den DNA-Schalter mit den drei Stufen Dynamik, Normal und Allwetter an Bord. Die Auswahl passt die Modifikationen von Motor, Lenkung oder ESP im Handumdrehen dem Fahrstil an – oder dem, was Straße und Verkehr gerade erlauben. Sollte doch einmal etwas schief gehen, muss man sich auch nicht allzu sehr sorgen: Im Euro-NCAP-Test hat sich die Giulietta als Europas sicherster Kompaktwagen erwiesen. Spätestens damit beweist Alfa Romeo: Die Giulietta hat ihre Insassen genauso lieb wie die Fahrer dieses Auto haben werden.
Diesen Artikel gibt es auch bei news.de, zusammen mit einer Fotostrecke zur Giulietta und einem weiteren Fahrbericht.