Künstler*in | Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen | |
Album | Alleine auf Partys – 18 gewöhnliche „Hits“ | |
Label | Tapete | |
Erscheinungsjahr | 2022 | |
Bewertung |
Mit dem Profil @awkward_anfuehrungszeichen versammelt Hans Rusinek auf Instagram unzählige Fälle für die seltsame Verwendung dieser Satzzeichen. Viele Beispiele, in denen Hinweisschilder, Speisekarten oder Leuchtreklamen durch die falsche Nutzung von Anführungszeichen unfreiwillig komisch werden, hat er selbst gefunden, etliche haben ihm auch seine mittlerweile mehr als 80.000 Follower*innen geschickt. Sie werden von ihm kuratiert, mittlerweile liegt eine Auswahl der besonders lustigen Fundstücke sogar in Buchform vor. Im Vorwort des treffend „Buch“ benannten Werks schreibt Rusinek über Absurditäten und Sinnentstellungen, die ihm da regelmäßig begegnen, er gönnt sich auch einen kleinen Ausflug in die Kommunikationstheorie, wo er von der „nie zu überbrückenden Kluft zwischen Sender und Empfänger mithilfe der verunglückten Gänsefüßchen“ schreibt und feststellt: „Die Anführungszeichen liegen oft gerade auf der schnöden modernen Oberfläche (…), doch sie weisen auf die Tiefe, die auf der Oberfläche selbst liegt.“
Nun hat auch Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen ein Beispiel parat, das womöglich für dieses Profil infrage kommt. Auf Alleine auf Partys haben sie das Beste aus ihrem zehnjährigen Bestehen und den bisher sechs veröffentlichten Alben zusammengetragen. Der Untertitel der heute erscheinenden Sammlung lautet 18 gewöhnliche „Hits“. Und natürlich sind diese Anführungszeichen überflüssig. Denn was das Hamburg-Berliner Quintett zu bieten hat, sind selbstverständlich lupenreine Kracher und die formidabelste Pop-Kunst, die man zwischen Soul und Punk hierzulande bekommen kann. Im Werk dieser Band findet man auch genug Songs, die gut im Radio klingen oder das Zeug haben, zum Lieblingslied für Tausende, Millionen Menschen zu werden – also Hits auch im kommerziellen Sinne. Das famos groovende Alleine auf Partys gehört dazu, das grandios optimistische Ein Leben in Rot mit purpurnen Blitzen oder das überschwänglich sehnsüchtige Ferien für immer. Auch der Fuzz-Futurismus von Die Welt braucht mehr Leute so wie dich, das programmatisch-mitreißende Arbeit ist ein Sechsbuchstabenwort und das hinterfotzig-euphorische Jeder auf Erden ist wunderschön (sogar Du) passen bestens in diese Reihe.
Dass es mit den hohen Chart-Platzierungen bisher noch nicht geklappt hat, ist dabei offensichtlich auch der Grund, warum Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen von Hits bloß in Anführungszeichen spricht, den Begriff also vermeintlich ironisch gebraucht. Denn natürlich sind Carsten Friedrichs (Gesang, Gitarre), Tim Jürgens (Bass), Gunther Buskies (Tasten), Fabio Papais (Gitarre) und Heiko Franz (Schlagzeug) sprachsensibel und intelligent genug, um nicht versehentlich skurril zu werden, wie es bei den @awkward_anfuehrungszeichen der Fall ist. Sie spielen vielmehr mit ihrem Status als nun schon ziemlich lange aktiver Geheimtipp, ohne eine „Wir sind independent und hassen Kommerz“-Attitüde vor sich her zu tragen. Der Traum vom ganz großen Hit ist hier genauso groß und lebendig wie die Überzeugung, sich dafür nicht zu verbiegen.
„Alleine auf Partys – Je mehr ich drüber nachdenke, je besser finde ich den Titel für unsere Compilation“, schreibt Sänger Carsten Friedrichs im Begleittext zur Best-Of-Sammlung. „‚Partys‘ zeigt schon, wo die Reise musikalisch hingeht, ‚alleine‘ weist auf unseren Status als Sonderlinge, als Outsider hin. Das ist cool. Also, macht nicht unbedingt immer Spaß Außenseiter oder Sonderling zu sein, aber cool ist es doch und eigentlich macht es auch Spaß. Könnten ein paar mehr Leute unsere Platten kaufen oder zu den Konzerten kommen, aber was soll‘s.“
Von den 18 Hits wurden 11 neu abgemischt. Neben dem extrem hohen Qualitätsniveau, der Vorliebe für eher abseitige popkulturelle Referenzen (der gleichnamige Regisseur wird in Kennst Du Werner Enke? gehuldigt, der Graffitikünstler Peter-Ermst Eiffe in Alle Ampeln auf Gelb, der Komponist Barrett Strong in Der fünfte Four Top) und sensible, gerne nostalgische Alltagsbeobachtungen (Der kleine Matratzenmarkt, Song für Eis-Gerd, Eine Cola soll es sein) fällt auf, wie wohl sich Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen mittlerweile in ihrem Sound fühlt und wie gekonnt sie ihm immer wieder neue Facetten hinzugefügt hat wie die asiatischen Klänge in Der letzte große Bohemien oder das hoch elegante Bläserarrangement von Mrs. Svendsens Heim für Esel. Der Einschätzung von Carsten Friedrichs ist nichts hinzuzufügen: „Beim abermaligen Hören dieser Platte denke ich: Was für eine gute Band wir doch sind. Ich wünschte, es würde noch mehr Bands von unserer Sorte geben.“