Film / TV

Die Manns

Film Die Manns – ein Jahrhundertroman

Die Manns Review Kritik
Die Rivalität und Loyalität in der Familie erzählt „Die Manns“.
Produktionsland Deutschland
Jahr 2001
Spielzeit 312 Minuten
Regie Heinrich Breloer
Hauptdarsteller*innen Armin Mueller-Stahl, Jürgen Hentsch, Monica Bleibtreu, Sebastian Koch, Sophie Rois, Philipp Hochmair, Stefanie Stappenbeck, Veronica Ferres
Bewertung

Worum geht’s?

Der Fernseh-Dreiteiler erzählt die Geschichte der Literaten-Familie Mann. Im Zentrum steht das Miteinander der Brüder Thomas und Heinrich Mann, flankiert von der Entwicklung der ebenfalls künstlerisch tätigen Kinder Klaus, Erika und Golo. Die weitgehend chronologische Erzählung der Ereignisse beginnt mit einem Besuch der 1918 geborenen Elisabeth Mann-Borgese im Elternhaus in München. Dann entfaltet sich eine Collage aus dokumentarischen Passagen, meist durch Interviews an Originalschauplätzen mit ihr oder anderen Beteiligten und Zeitzeug*innen sowie gelegentlichem Archivmaterial und aufwendig inszenierten Spielfilm-Szenen, die das Geschehen nachstellen. Der erste Teil stellt die Jahre 1923 (kurz vor Veröffentlichung von Der Zauberberg) bis zur Flucht vor den Nationalsozialisten 1933 dar. Teil 2 reicht bis zum 70. Geburtstag von Heinrich Mann, der 1941 im gemeinsamen Exil in Kalifornien gefeiert wird. Teil 3 zeichnet das Geschehen bis zum Tod Thomas Manns im Jahr 1955 nach.

Das sagt shitesite:

Heinrich Breloer gelingt mit diesem Dreiteiler ein Geniestreich. Als Interviewer zeigt er sich in Die Manns enorm einfühlsam und exzellent informiert. Er hört gut zu, schweigt in den richtigen Momenten und zeigt so, dass es ihm in dieser filmischen Annäherung nicht um eine Hagiographie geht, sondern tatsächlich um Recherche und Erkenntnis. Als Regisseur findet er mit der Montage-Form eine wunderbare Entsprechung für das Zusammenspiel von Werk und Biografie sowohl bei Thomas Mann, der 1929 mit dem Literaturnobelpreis geehrt wurde, als auch bei den anderen Mitgliedern der Familie. Man kann in dieser Mischung aus Genialischem, der unermüdlichen Suche nach der passenden Form und einem erstaunlichen Arbeitsethos durchaus Parallelen zum Schaffen Thomas Manns erkennen.

Die Manns – ein Jahrhundertroman zeigt die prägende Rolle von Katia Mann, ebenso die Eifersucht, Konkurrenz und Loyalität innerhalb dieser Familie. Auf ihnen scheint ein Fluch zu liegen, nicht nur angesichts der zahlreichen Selbstmorde, die man hier miterleben muss, zugleich sichert dieser Name ihnen viele Privilegien (beides sind natürlich beinahe gruselige Parallelen zu den Buddenbrooks). „Wir waren sehr frei. Seine Toleranz war grenzenlos. Wir machen wirklich, was wir wollten“, erzählt Erika Mann über ihren Vater und das Aufwachsen in diesem Haushalt – und welche Kinder konnten das in diesem Zeitalter schon behaupten?

Besonders erhellend wird der Blick auf Thomas Mann, großartig verkörpert von Armin Mueller-Stahl. Fast nie sieht man ihn in diesen mehr als fünf Stunden tatsächlich beim Schreiben, dennoch gelingt eine sehr treffende Analyse seines Schaffens. Ganz häufig erleben wir ihn in Die Manns als Gastgeber und Conferencier. Es ist die Position, in der er auf eine fast aristokratische Weise seinen Status repräsentieren kann, vor allem aber beobachten, ohne sich selbst involvieren zu müssen. Diese Rolle zeigt die Balance aus Selbstbeherrschung und Empathie, aus Genussmensch und Verweigerer, die so prägend für sein Leben ist: Thomas Mann kann sich glänzend einfühlen, in seine Figuren, in sein Volk, in die verschiedenen Generationen innerhalb seiner Familie. Aber er lässt das nur in seiner Literatur erkennen – seinem Umfeld gegenüber bleibt er weitgehend kalt. Es ist frappierend, dass man diese analytische Härte und die distanzierte Betrachtung, selbst beim Blick auf die größten Tragödien im engsten persönlichen Umfeld, hier auch in den rückblickenden Aussagen von Elisabeth Mann-Borgese finden kann.

An einer Stelle bezeichnet sie ihren Vater als jemanden, der überhaupt nicht in die Welt passt – und so hat sich Thomas Mann wohl auch wahrgenommen in seinem permanenten Ringen darum, Haltung zu bewahren und von außen dem auf den Grund zu gehen, was die Menschen im Kern verbindet. Nicht zuletzt ist auch der Untertitel Ein Jahrhundertroman nur wenig geprahlt, denn einschließlich der Rück- und Ausblicke erzählt dieser Film auch aus rund 50 Jahren deutscher Geschichte und vom Ringen um deutsche Identität in dieser Zeit, von den Goldenen Zwanzigern über das Dritte Reich bis in die Zeit des Wirtschaftswunders.

Bestes Zitat:

„Er hatte eine Form gefunden. Für sich, für sein Leben. Um das alles in Schach zu halten.“

Der Trailer zum Film.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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