Film | Die Reifeprüfung | |
Originaltitel | The Graduate | |
Produktionsland | USA | |
Jahr | 1967 | |
Spielzeit | 102 Minuten | |
Regie | Mike Nichols | |
Hauptdarsteller | Dustin Hoffman, Anne Bancroft, Katharine Ross | |
Bewertung |
Worum geht’s?
Benjamin Braddock, 20, hat gerade sein College-Studium beendet und kehrt nun in sein Elternhaus zurück, um ein bisschen auszuspannen, bevor er die nächsten Karriereschritte gehen wird. Zu seinem guten Zeugnis, seinen Erfolgen als Leichtathlet und dem Gewinn eines Forschungspreises wird ihm überall gratuliert, seine Eltern geben sogar eine Party zu seinen Ehren. Nach der Feier bittet ihn Mrs. Robinson, die Frau eines Geschäftsfreunds seines Vaters, sie nach Hause zu fahren. Dort angekommen, versucht sie, den jungen Mann zu verführen. Benjamin reagiert perplex, geht aber einige Tage später dennoch auf ihr Angebot ein, sich zu melden, wenn ihm langweilig sein sollte. Er trifft Mrs. Robinson in einem Hotel und beginnt eine Affäre mit ihr. Seine Eltern ahnen nichts davon, sind aber dennoch zunehmend ungehalten, weil ihnen Benjamins Auszeit langsam verdächtig lang erscheint und sie ihn bewegen möchten, sich einen Job oder ein neues Studium zu suchen – oder wenigstens eine Freundin wie beispielsweise seine ehemalige Schulkameradin Elaine, die wieder in der Stadt ist. Pikanterweise ist sie die Tochter von Mrs. Robinson, und als Benjamin sich auf das Drängen seiner Eltern hin mit ihr verabredet und sich tatsächlich in Elaine verliebt, ist das Chaos in seinem Leben perfekt.
Das sagt shitesite:
Die Schnitte und Kameraführung in Die Reifeprüfung sind hoch originell, auch der damals noch wenig übliche Einsatz von Product Placement (der Alfa Romeo) zur Finanzierung des Films war eine innovative Idee. Das Mutigste an diesem Werk, für das Mike Nichols den Oscar als bester Regisseur erhielt, war aber etwas anderes: Er zeigt den Frust zweier Generationen.
Für Benjamin (nota bene: der damals 30-jährige Dustin Hoffman spielt einen College-Abgänger, Anne Bancroft ist nur sechs Jahre älter als er und auch nur neun Jahre älter als ihre Filmtochter) ist das offensichtlich. Wenn er auf der Luftmatratze seine Zeit vergeudet, spiegeln sich in seinem Gesicht Orientierungs- und Antriebslosigkeit. Er wird herumgereicht wie eine Trophäe, überhäuft mit Lob, Anerkennung, Neid auf seine Jugend – und mit Erwartungshaltung. Doch er versteht trotz Studium so wenig vom Leben wie in den Jahren, als dieser Garten, dieses Wohnzimmer oder dieses Aquarium noch zum Zuhause seiner Kindheit gehörten. „I want it to be – different“ ist alles, was er über seine Zukunft sagen kann. Der Film erlaubt sich immer wieder viel Leerlauf, Schweigen und Kontemplation, um diesem Gefühl des Wartens auf ein Aha-Erlebnis oder auf einen entscheidenden Fingerzeig für die eigene Biografie den entsprechenden Raum zu geben.
Seine Hauptfigur ist unbeholfen, auf eine fast panische Weise nervös und hochgradig naiv – genau das macht Benjamin für Mrs. Robinson anziehend. Das Erstaunliche (aus Sicht der Zeitgenossen im Veröffentlichungsjahr sogar Skandalöse) an ihrer Figur ist nicht nur, dass sie dieser Lust als verheiratete, gutbürgerliche, ältere Frau freien Lauf lässt und dabei so souverän, fokussiert und gebieterisch auftritt, dass wiederum Benjamin zunächst überrascht und dann überwältigt ist. Sondern vor allem, dass sie dies unverkennbar aus einem Defizit heraus tut. So sehr wie die Sinnsuche der Jugend zeigt Die Reifeprüfung den Selbsthass der Eltern, der hinter dem kalifornischen Lächeln steckt. Sie sind nicht weniger frustriert als die jungen Menschen der Beat-Generation, sie haben lediglich notfalls den Pool, die Drinks oder eben die Affären, um sich darüber hinwegtäuschen zu können. Bezeichnenderweise wird Mrs. Robinson, deren Vornamen wir im ganzen Film nicht erfahren, ebenfalls verletzlich, als sie bei einem Streit mit Benjamin aus ihrer dominanten Rolle heraus und über ihr Leben, ihre Vergangenheit, Gegenwart oder gar ihre Zukunft erzählen muss.
Der Erfolg des Films, der zum größten Kassenschlager des Jahres 1968 wurde, liegt in dieser Konstellation begründet, in der Fallhöhe, die es mit einem antiken Drama aufnehmen kann, in der feinen Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit, letztlich aber vor allem in der Tatsache, dass sich die Macher auf die Seite der Jugend schlagen. Ihre Zweifel sind unschuldig (noch mehr als Benjamin verkörpert Elaine diesen Gedanken, die noch unsicherer und verletzlicher wirkt), ihre Sünden sind unbedarft (Benjamin beginnt beide Affären letztlich aus einem Impuls heraus). Sie kennen nur die Lebensentwürfe ihrer Eltern und die Entschlossenheit, diese nicht wiederholen zu wollen, aber sie haben keine Alternative, keinen eigenen Entwurf, nicht einmal die Hoffnung, diesen jemals entwickeln zu können. Erst, als sich Benjamin und Elaine am Ende im Bus anblicken, ist da ganz kurz Gewissheit, das sehr erfüllende Gefühl, das genau Richtige zu tun. Es gehört zu den grandiosen Einfällen in Die Reifeprüfung, dass der Film damit nicht endet und dass dieser Moment nur ein paar Sekunden währt, bevor wieder die Frage in den Mittelpunkt rückt, wie es jetzt weiter geht.
Bestes Zitat:
„I’m sort of disturbed about things.“