Niemand will der erste Gast auf der Party sein. Niemand will auf eine leere Tanzfläche. Trotzdem müssen Partys irgendwann anfangen und in Schwung kommen. Wie geht das? Was passiert da? Wer kommt, wer geht, wer bleibt? Und vor allem: Wer tanzt? Ich opfere mich für euch und finde es heraus. Ich bin der erste Gast und beobachte die erste Stunde von Klassikern des Leipziger Nachtlebens. Heute Teil 1 dieser schon jetzt legendären Serie: Indie Küche im Absturz.
Die Fakten:
Ort: | Absturz | |
Event: | Indie Küche (monatlich) | |
Wer legt auf: | DJ-Team Default Rocks | |
Eintritt: | 5 Euro | |
Offizieller Einlass: | 23:00 Uhr | |
Tatsächlicher Einlass: | 22:57 Uhr | |
Erstes Lied: | Hands – The Raconteurs | |
Bestes Lied der ersten Stunde: | Step Brother City – Someone Still Loves You Boris Yeltsin | |
Zahl der Gäste zur Stunde Null: | 0 | |
Zahl der Gäste nach einer Stunde: | 11 | |
Anzahl der verkauften Bier in der erste Stunde (inklusive meiner): | 5 | |
Zeitpunkt des ersten Tanzes: | Es wird nicht getanzt. | |
Lied, das den ersten Tanz auslöst: | Es wird nicht getanzt. | |
Specials für Early Birds: | Eintritt kostet 3 Euro statt 5 Euro (gilt so lange, bis der Türsteher beschließt, den regulären Preis zu verlangen). |
Das Protokoll:
Ich bin tatsächlich der erste Gast. Ein leerer Raum. Man könnte meinen, das sei ein Universum voller Möglichkeiten für diese Nacht, eine weiße Leinwand, auf der sich später die Konturen von Abenteuer und Euphorie abzeichnen werden. Dies sind die gut 50 Quadratmeter, auf denen heute Nacht vielleicht noch eine verhängnisvolle Liebelei beginnt, eine lebenslange Freundschaft geschlossen wird, ganz sicher der eine oder andere Kater entsteht. Aber das erfordert einiges an Fantasie. Zunächst einmal wirkt es, zumal bei Musik in Party-Lautstärke ohne irgendein Publikum, etwas trostlos.
Das Einzige, was sich bewegt, sind die Reflexionen der Discokugel und Hans, eine Hälfte des DJ-Teams Default Rocks, das heute für die Schallplattenunterhaltung sorgen wird. Er stellt sich in die Mitte der leeren Tanzfläche, testet den Sound der Boxen und gibt seinem DJ-Kollegen Thomas den Hinweis, links ein bisschen lauter zu drehen. Er weiß, dass er sich nicht beeilen muss, um die Tanzfläche freizugeben. „Wir sind normalerweise eine Stunde vorher hier, bauen unser Equipment auf und räumen ein bisschen auf. So richtig los geht es aber meistens erst ab 1 Uhr“, sagt er. „Natürlich wäre es schön, wenn schon eher jemand tanzen würde. Manchmal passiert das auch, wenn Leute sehr früh in einer größeren Gruppe kommen. Aber so können wir ein paar Sachen testen, die wir sonst nicht spielen. Und wir können selbst in aller Ruhe in den Abend reinkommen. Die Hits heben wir uns dann für später auf“, erzählt er. Das Prinzip fürs Ende der Veranstaltung lautet schließlich: Last man standing…
Nach knapp 20 Minuten kommen zwei Mädels, die ersten beiden Gäste (außer mir). Sie wirken nicht sonderlich geschockt ob der leeren Location und verkürzen sich die Wartezeit bis zum tatsächlichen Party-Start am Tischkicker. Weitere Animationsangebote, bevor mehr Schwung in die Sache kommt: Sitzbänke zum Quatschen, Aschenbecher zum Rumstinken und die Theke zum Vorglühen. Dort ist Jana froh, dass noch so wenig los ist. „Das hängt sehr vom Event ab, und auch vom Wetter. An manchen Abenden ist sofort richtig viel Betrieb, manchmal füllt es sich erst langsam. Wenn ich vorher schon einen stressigen Tag hatte, freue ich mich, wenn ich hier erst einmal gemächlich loslegen kann“, verrät mir die Bardame, die im Hauptberuf als Erzieherin arbeitet. „Oft kommt dann ab 1 Uhr noch Verstärkung dazu. Und die schlimmste Stunde für uns an der Bar ist zwischen 3 und 4 Uhr“, sagt sie.
Während ein paar weitere Grüppchen eintrudeln, führt der Türsteher draußen den Standarddialog, der fast immer die Frage „Ist schon was los?“ und den Satz „Wir kommen dann später vielleicht nochmal wieder“ enthält. Die DJs versuchen derweil, unter anderem mit Klassikern von Arcade Fire und Klaxons, ein bisschen Laufkundschaft vom Innenhof der Feinkost ins Absturz zu locken. Immerhin 11 Gäste sind um Mitternacht anwesend, kurz danach erklingt das umwerfende You Only Live Once von den Strokes. Könnte noch ein sehr feiner Abend werden.
Besondere Vorkommnisse:
Als ich kurz vor 23 Uhr am Absturz-Einlass eintreffe, steht schon eine Gruppe junger Herren dort. Junggesellenabschied (will ich für sie hoffen), sechs Kerls, alle mit einheitlichen Perücken. Sie ringen mit sich und diskutieren mit dem Türsteher. Ihr Pro-Argument: „Das ist Indie, da sind bestimmt viele Mädels da.“ Ihr Contra-Argument: „Wir wollen nicht die ersten sein.“ Auch sie entscheiden sich, vielleicht später nochmals vorbeizuschauen. Sie wirken allerdings nicht so, als könnten sie das noch schaffen.