Künstler*in | Dire Straits | |
DVD | Sultans Of Swing | |
Label | Polygram | |
Erscheinungsjahr | 1999 | |
Bewertung |
Dass die Dire Straits ihr Greatest-Hits-Album nach ihrem ersten Hit benannt haben, ist auch mehr als 20 Jahre nach Veröffentlichung dieser Compilation noch amüsant. Denn die darin besungenen Sultans Of Swing waren eine mäßig talentierte Band, die vor einem uninteressierten Publikum in einer Kneipe im Süden von London spielte. Man könnte sagen: Sie waren das Gegenteil der Dire Straits. Denn die Band um Frontmann Mark Knopfler war unstrittig ebenso virtuos wie erfolgreich.
Fast ironisch ist auch, was man auf auf der Video-Ausgabe von Sultans Of Swing – The Very Best Of finden kann. Ergänzend zum entsprechenden Album erschien sie 1999 als VHS und ist seit 2004 auch als DVD erhältlich. Man könnte das schlüssig finden für eine Band, die 1985 mit Money For Nothing den ersten Clip beisteuerte, der auf dem damals gerade gestarteten MTV Europe lief. Aber mit ganz wenigen Ausnahmen fügen die hier enthaltenen Bilder dem Werk der Dire Straits nichts hinzu, was die Musik nicht schon enthält.
Money For Nothing, inspiriert von einem über das vermeintlich leichte Leben von Rockstars zeternden Mitarbeiter, den Mark Knopfler in einem Elektro-Markt in New York belauscht hat, ist die Ausnahme. Das Video (Regie: Steve Barron) ist durch die Computerfiguren, die 3D-Effekte und die Animationen mit Neonfarben, die in die Realfilm-Sequenzen hineingebaut sind, ikonisch geworden und noch heute sehenswert. Das gilt auch für Brothers In Arms (Regie: Bill Mather) aus demselben Jahr. Die Umsetzung in schwarz-weiß-Grafiken passt perfekt zur schwermütigen Atmosphäre des Songs und war wohl auch – lange, bevor man in Photoshop mit einem Klick einen „Bleistiftzeichnung“-Filter über jedes Bild legen konnte – ziemlich aufwendig. Calling Elvis (1991) ist zumindest ähnlich ambitioniert und setzt die Bandmitglieder als Marionetten im Puppentheater in Szene, für einen ähnlichen Effekt (oder Erfolg) wie bei den beiden anderen Beispielen ist hier aber einfach auch das Lied zu schwach.
Ansonsten sind die hier zu sehenden Videos so verzichtbar, dass nicht einmal die Regisseure oder Produzenten genannt werden, man findet sie weder im Booklet noch im Abspann. Das ist auch nicht ganz verwunderlich. Die beiden frühesten Songs stammen aus einer Ära, als Videoclips längst noch nicht üblich waren. Entsprechend wird Sultans Of Swing mit Bildern unterlegt, die womöglich von einem Auftritt in einem Fernsehstudio stammen, mit dem damals 29-jährigen Mark Knopfler in Jeanshemd und schon im Jahr des Debütalbums seiner Band mit lichtem Haar. Lady Writer zeigt ihn dann in ähnlichem Setting und Lederjacke.
Wie auf dem Best-Of-Album wird auch in der Video-Variante chronologisch sortiert, es geht also weiter mit einem Reigen von Romeo And Juliet, Tunnel Of Love, Private Investigations und Twisting By The Pool. Die Bilder, die man dazu zu sehen bekommt, entstammen ebenfalls noch der Zeit, bevor Videoclips tatsächlich eine eigene Kunstform wurden oder es so etwas wie eine Übereinkunft gab, was man in diesem Format tun sollte und was nicht. Das führt hier in allen vier Fällen zu Resultaten, die unfreiwillig komisch und zumindest für Fans der Dire Straits gerade deshalb sehenswert sind. Alles wird überladen mit möglichst bedeutend aussehenden Bildern in einer durchstilisierten Ästhetik, bei der man Luchino Visconti am Werk wähnen könnte.
Zugleich sind diese Clips so plump und banal, wie es nur die 1980er Jahre hinbekommen konnten: Bei „chains of silver“ sind natürlich silberne Ketten zu sehen, durch den „tunnel of love“ läuft ein Liebespaar, bei „the big wheel keeps on turnining“ wird ein Mensch auf ein großes Rad gespannt, das sich dreht, und zu „twisting by the pool“ gibt es zur Krönung ein Wasserballett und Leute in Badekleidung auf einem Sprungbrett. Das alles wirkt aus heutiger Sicht, als hätte jemand einem Requisiteur die Songtexte der Dire Straits gezeigt, ihm dann ein (nicht allzu dickes) Bündel Bargeld in die Hand gedrückt und ihm den Auftrag gegeben: „Kauf irgendetwas, was dazu passt und sich im Studio schön in Szene setzen lässt!“ Die Band ist dabei kaum zu sehen und wohl auch nicht böse darum, ihre wenigen Auftritte werden oft überblendet mit anderen Szenen wie in Private Investigation, das laut dem Interview mit Mark Knopfler, das es im Bonusmaterial der DVD gibt, von Raymond Chandler inspiriert ist.
Dass die Dire Straits weit davon entfernt waren, große Freunde der Videokunst oder gar Pioniere einer neuen visuellen Ästhetik im Popgeschäft zu sein, macht Sultans Of Swing – The Very Best Of überdeutlich (die Bewertung oben bezieht sich nur auf die Clips, nicht auf die Musik). Denn auch die späteren Beiträge rangieren irgendwo zwischen Pflichterfüllung und Resteverwertung. Love Over Gold nutzt Live-Aufnahmen, mit Mark Knopfler im roten Sakko und dem legendären Schweißband auf der Stirn, So Far Away bietet einen Mix aus Konzertaufnahmen, Szenen im Tonstudio und etwas, das wie eine Performance in einer leeren Kirche aussieht. Die ausgelassene Stimmung in Walk Of Life wird mit kurzweiligen Archivszenen aus dem US-Sport untermalt, das sehr amerikanische Heavy Fuel gibt Einblicke in den Alltag auf Tournee, On Every Street setzt erneut auf eine Live-Performance, die (genau wie der Song) etwas arg langweilig ist. Stimmungsvolle Konzertmitschnitte von Your Latest Trick und Local Hero – Wild Theme schließen die Sammlung dann ab.
Viel mehr als ein Füllhorn spektakulärer Videoclips, das man angesichts von Money For Nothing vielleicht erwarten könnte, aber dann doch eher bei Acts wie den Smashing Pumpkins oder The Prodigy findet, bietet Sultans Of Swing – The Very Best Of erstaunlich viele Hits für eine Band, die immer eher über ihre Alben definiert wurde, und ein paar Einblicke in die DNA der Dire Straits. Passend zu den musikalischen Wurzeln in Blues und Folk kann man hier immer wieder erkennen, wie gerne Mark Knopfler als Storyteller auftritt. Er mag den Gedanken, sagt er im Interview auf dieser DVD, ein Troubadour zu sein, der an der Straßenecke von den neusten Begebenheiten berichtet. Und das tat er auf den sechs Studioalben dieser Band mit so wenig Eitelkeit, wie es in der Rockmusik eigentlich kaum möglich sein dürfte, und mit einer souveränen Ruhe, die kaum zu fassen ist bei einer Band, die 1977 inmitten des Londoner Punk-Wirbelwinds gegründet wurde. Die Nonchalance seines oft beinahe nur gesprochenen Gesangs überträgt sich auf die gesamte Atmosphäre dieser Musik, ohne dass er dabei dominieren würde. „They sound like one person“, hat Bob Dylan einmal einen der besonders faszinierenden Aspekte der Dire Straits beschrieben.
Als Erzähler betrachtet Mark Knopfler hier alles mit ein bisschen ironischer Distanz: den eigenen Status als Musiker, das Treiben der Welt, sogar seine eigenen romantischen Gefühle. Wie gelassen die Band, die seit Mitte der 1990er Jahre nicht mehr aktiv, aber offiziell bisher nicht aufgelöst ist, mit dem eigenen „infinite hiatus“ umgeht, passt da bestens ins Bild. Sie sehen keinen Grund, sich unter Druck setzen zu lassen, sie müssen niemandem etwas beweisen, und wenn sie Lust haben, zusammen zu spielen, dann tun sie das gelegentlich wie auf der Hochzeit des Bassisten oder für Charity-Aktionen. Auch das Fazit, das Musikjournalist Robert Sandall in den Liner Notes dieser Sammlung zieht, hebt diese Besonderheit hervor: „Dire Straits have always functioned principally as a vehicle for songs rather than, as is the way with lots of bands, an excuse to rock out.“