Künstler | Dirty Projectors | |
EP | Earth Crisis | |
Label | Domino | |
Erscheinungsjahr | 2020 | |
Bewertung |
Eine Serie von fünf EPs, veröffentlicht im Laufe des Jahres und mit jeweils einem anderen Bandmitglied als zentralem Protagonisten – dieser Ansatz der Dirty Projectors ist schon einmalig und kreativ genug. Im Falle von Earth Crisis, dem vierten Teil in dieser Reihe, wird aber noch viel mehr deutlich, mit wie viel Akribie, Anspruch und Wagemut die Band aus New York ihrer eigenen Kunst (denn genau das ist hier der angebrachte Terminus) begegnet.
Die Geschichte dieser vier Lieder reicht nämlich schon bis ins Jahr 2007 zurück. Damals widmeten sich die Dirty Projectors dem legendären Black-Flag-Album Damaged (1981) und brachten mit Rise Above ihre eigenen Bearbeitungen der darauf enthaltenen Songs heraus. Ursprünglich geplant war, diese Interpretationen auch noch um Orchesterversionen anzureichern. Gemeinsam mit Chris Taylor (Grizzly Bear) hatten sogar schon die Arbeiten daran begonnen, dann kamen aber andere Projekte dazwischen, etwa das 2009er Album Bite Orca.
Im vergangenen Jahr fand Bandleader Dave Longstreth die damals entstandenen Aufnahmen auf einer alten Festplatte wieder und unterzog sie mit Loops, Transponieren und anderen Effekten erneut einer Bearbeitung. Das dabei entstandene Material bildet die Basis für Earth Crisis, dessen Titel einerseits auf die gleichnamige Straight-Edge Hardcore-Band aus Syracuse verweist (also auf die Szene, der auch Black Flag entsprungen sind), andererseits das Thema der Umweltzerstörung zusammenfasst, das Longstreth bei der gemeinsamen Arbeit an den Texten mit Keyboarderin Kristin Slipp in den Mittelpunkt gestellt hat. „Für mich hat sich das fast wie ein biologischer Prozess angefühlt: Recycling, neue Dinge aus alten machen“, beschreibt Longstreth den Ansatz.
Eyes On The Road eröffnet die EP mit Holzbläsern, denen man anhört, dass sie bearbeitet sind, was ihnen aber nichts von ihrer Schönheit nimmt. Nach einer knappen Minute setzt der Sopran von Kristin Slipp ein, der dann auch verfremdet wird, aber hier und auf den folgenden Songs sehr gut als verbindendes Elemente zwischen den einzelnen Stücken funktioniert. Im von Streichern geprägten There I Said It klingt ihr Gesang wie eine aktivistische (und an Igor Strawinsky geschulte) Variante von Destiny’s Child. Bird’s Eye lässt ihre Stimme zunächst mit einer Oboe zusammentreffen, daraus entwickelt sich ein abenteuerliches Stück mit einer fast hypnotischen Wirkung, zu der verschiedene Orchesterparts ebenso beitragen wie ein konzentrierter Beat. Der Beginn von Now I Know, das Earth Crisis abschließt, könnte die Titelmelodie eines Hitchcock-Films sein, in der Mitte darf ihre Stimme besonders hell strahlen.
Wer noch mehr Kunst von den Dirty Projectors braucht, kann übrigens gerne auf die demnächst erscheinende 5 EPs-Veröffentlichung zurückgreifen, die alle Stücke der Reihe auf einer CD oder Doppel-Vinyl versammelt. Oder sich den Kurzfilm von Isaiah Saxon anschauen, der die Musik der EP als Soundtrack nutzt.