Donots Heut ist ein guter Tag

Donots – „Heut ist ein guter Tag“

Künstler*in Donots

Donots Heut ist ein guter Tag Review Kritik
„Heut ist ein guter Tag“ ist das erste Nummer-1-Album der Donots.
Album Heut ist ein guter Tag
Label Solitary Man
Erscheinungsjahr 2023
Bewertung

„Wir haben keine Chance, aber uns gehört die Welt“, meinen die Donots im ersten Lied ihrer neuen Platte. Der Song heißt Auf sie mit Gebrüll, steckt voller Tempo und Tatendrang und baut als besonderes Gimmick das „Uh!“ aus dem Schlachtruf der isländischen Fußballfans ein. Die Textzeile scheint sich derweil in den vergangenen Tagen bewahrheitet zu haben: Heut ist ein guter Tag hat die Spitze der deutschen Albumcharts erreicht. Ingo, Guido, Alex, Purgen und Eike haben also 28 Jahre nach Gründung ihrer Band in Ibbenbüren tatsächlich eine Nummer-1-Platte.

„Es ist ein irres Gefühl, dass wir mit unserem DIY-Ansatz heute an der Pole Position stehen“, sagte Sänger Ingo Knollmann, als dieser Erfolg feststand. „Und klar: Chartplatzierungen waren nie der Grund, weshalb wir fünf zusammen Musik machen, und am Ende eigentlich völlig egal. Aber ey, fuck it: Für den heutigen Tag, alle Bescheidenheit beiseite, ist’s uns einmal nicht egal. Ihr alle da draußen habt uns auf dieses Treppchen gehoben!“ Man kann sich in der Tat freuen über diese Geschichte vom Jugendzentrum bis in die Stadien der Republik (wo die Donots zuletzt als Vorgruppe sowohl für die Toten Hosen und als auch für die Ärzte zu sehen waren). Auch, weil diese fünf Musiker offensichtlich noch immer für ihr Metier brennen (ihre Sehnsucht nach Festival-Auftritten war so groß, dass sie im vergangenen Jahr als erste Band – also am frühen Nachmittag! – bei Rock am Ring gespielt haben) und wohl das Herz am rechten Fleck haben (gemeinsam mit den Toten Hosen und Thees Uhlmann spielen sie am 24. Februar in Düsseldorf ein Benefiz-Konzert für die Opfer des Erdbebens in der Türkei und in Syrien).

Aus dem Zitat von Ingo Knollmann spricht neben dem Stolz auf das Erreichte (das ist der Teil mit „Uns gehört die Welt“) aber noch etwas anderes: Überraschung, Verwunderung. Das ist der Teil mit „Wir haben keine Chance.“ Beim Blick auf die Ausgangssituation ist er nämlich womöglich noch immer etwas perplex, dass ausgerechnet dieser Band eine solche Karriere gelungen ist. Der Sänger wird wohl kaum bestreiten, was auch Heut ist ein guter Tag wieder belegt: Es gibt da draußen sehr, sehr viele Bands mit sehr, sehr viel mehr Talent, die aber nie auch nur in die Nähe der Chart-Spitze kommen werden. Die Donots sind dran geblieben, haben sich gut vernetzt, die richtigen Unterstützer und Mitstreiter gefunden und damit das Optimum aus ihren Fähigkeiten herausgeholt.

Die 14 neuen Songs zeigen an einigen Stellen, wie limitiert die Donots manchmal noch immer sind. Vor allem die Texte sind über weite Strecken allenfalls mittelprächtig (besonders auffällig wird das, wenn es mit ein paar maritimen Metaphern philosophisch werden soll wie im Album-Schlusspunkt Endlich irgendwo), etliche Lieder werden etwas krampfhaft auf hymnisch getrimmt, obwohl sie weit davon entfernt sind, die nötige Substanz oder gar Größe zu haben. Es wimmelt auf Heut ist ein guter Tag vor „Hey, hey, hey“ und „Who ho ho“ – und auch, wenn man die Idee erfreulich finden kann, dem Corona-Blues, der Klima-Angst und der Kriegsgefahr mit Optimismus zu begegnen, ist das dann doch ein bisschen arg platt.

Längst noch nicht vorbei ist so ein Song, der kalkuliert und sogar anbiedernd wirkt in seinem „Wir haben’s immer noch drauf“-Gestus, der ein bisschen an Fury In The Slaughterhouse denken lässt. Auch einige andere Stücke wecken Assoziationen zu Acts, die nicht unbedingt mit Punk zu tun haben. Hunde los erzählt mit luftigem Groove und ein paar Reggae-Anleihen von Partners in Crime, denen es egal ist, wenn sie gejagt werden – das würde beispielsweise auch zu Kettcar passen. Kometen nimmt die menschliche Hybris in den Blick („Wir sind alle nur ein Zufall / ein Unfall nach dem Urknall“), baut eine Anspielerung auf Ein kleines bisschen Horrorshow ein und wäre gut auch von Madsen vorstellbar. Wenn Feine Sahne Fischfilet das Faulsein feiern würden, könnte ein Lied herauskommen wie Radikale Passivisten.

Natürlich halten die Donots auch ihr Rabauken-Image hoch. Es tut nur weh, wenn ich lache bietet wildes Geknüppel, Augen sehen erklärt, warum mal jemand „Schießbude“ als Synonym für „Schlagzeug“ erfunden hat, auch 1,21 Gigawatt setzt vor allem auf Geschwindigkeit, schließlich geht es hier um Menschen, die Kaffee und andere Aufputschmittel in erster Linie nutzen, um stets Höchstleistung für das System liefern zu können. Mit 9 Augen feiern sie gekonnt den eigenen Status (sie sind mindestens so widerstandsfähig, geschickt und schlau wie Katzen, wenn auch vielleicht nicht ganz so kuschelig) und mit Solange wir uns haben die Loyalität (es geht darin nicht etwa um eine Liebesbeziehung, sondern um den Zusammenhalt in einem Freundeskreis oder in einer Szene).

Das Beste an Heut ist ein guter Tag, das die Donots mitten in der ersten großen Corona-Welle begonnen haben und dessen Titelzeile sie hier gleich in mehrere Songs packen, ist die Produktion von Kurt Ebelhäuser, der schon Coma Chameleon (2008) und Lauter als Bomben (2018) betreut hatte. Er schafft es, dem Album mit einem Hauch von Sprechgesang hier und dezenter Elektronik dort die nötige Modernität zu verleihen und vor allem das vorhandene Material maximal strahlen zu lassen. So glänzt das tröstliche Hey Ralph mit einem sehr guten Refrain und der Anti-Suff-Track Traurige Roboter mit einer wirkungsvollen Kombination aus Punch und Melodie.

Der stärkste Song wird Apokalypse Stehplatz Innenraum, weil die Donots hier nicht nur energisch und authentisch klingen, sondern auch originell – auch, weil das Lied im Refrain ausnahmsweise Tempo herausnimmt und damit mit der Masche bricht, die man auf Heut ist ein guter Tag sonst so häufig finden kann. Das Problem dieser Musik bleibt, dass sie zu sehr den Affekt (statt den Verstand) bedient und zu sehr auf Effekt (statt auf Tiefe) aus ist. Jede Note, jede Zeile, funktioniert auch hier wieder im Moment, in dem man sie hört – aber nur, solange man nicht allzuweit zurück oder nach vorne blickt.

Das Video zu Hunde los erzählt eine Bonnie und Clyde-Geschichte.

Website der Donots.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.