Plötzlich Platzeck. Peter Strucks Vorschlag, den Ministerpräsidenten von Brandenburg 2009 als Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten in den Wahlkampf zu schicken, überrascht.
Zunächst einmal die Personalie an sich: Wieso ausgerechnet der blasse Platzeck? Der Mann, der mit riesiger Mehrheit und großen Erwartungen ins Amt des SPD-Chefs eingeführt worden war, und der seitdem ebenso redlich wie vergeblich versucht, der Partei ein neues Profil zu verschaffen?
Vor allem aber muss man sich fragen, warum Struck schon dreieinhalb Jahre vor dem Urnengang über einen Spitzenkandidaten spekuliert. Entweder ist seine Äußerung zu diesem frühen Zeitpunkt dumm und fahrlässig, wenn er einfach die Gleichung „Parteichef = Kanzlerkandidat“ im Sinn hat. Oder sie ist sogar bösartig, wenn er Platzeck gewollt ins Gespräch gebracht hat. Will er dem neuen Parteichef, der nach gerade einmal 100 Tagen im Amt genug damit zu tun hat, seine Rolle zu finden, noch mehr aufbürden? Hofft er gar, das Platzeck unter dieser Last zusammenbricht? Hat Struck den Brandenburger angesichts schlechter Umfragewerte als Sündenbock ausgemacht?
Wenn dem so ist, übersieht Struck ein doppeltes Dilemma: Platzeck und die SPD stecken in der selben Zwickmühle. Denn auch wenn der Parteivorsitzende nicht als Traumkandidat erscheint, stellt sich die Frage: Wer sonst? Das einzige Schwergewicht, das Sympathie mit Kompetenz verbindet, ist im Augenblick Kurt Beck. Doch der will lieber in Mainz bleiben. Franz Müntefering ist 2009 mit 69 entschieden zu alt, um als Hoffnungsträger zu gelten. Wolfgang Tiefensee gilt wohl auch dann noch zu sehr als Greenhorn, um als Regierungschef in Frage zu kommen. Und Peter Struck? Der hat mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen und weiß zudem wohl selbst, dass er zu spröde ist und sich – wie so viele andere – in den Augen der Wähler in Zeiten der Neuen Mitte und der rot-grünen Regierung verbraucht hat.
Es müssen nicht nur neue Gesichter her, sondern auch neue Inhalte. Doch wie soll das funktionieren? Wie soll Platzeck an Profil gewinnen? Distanziert er sich von Vorschlägen aus den eigenen Reihen, wird er – zumal so kurz vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt – als Quertreiber hingestellt. Opponiert er gegen Pläne der Union, wird er womöglich von den Ministern aus den eigenen Reihen gerügt, weil er die Regierungsarbeit hintertreibt. Setzt er auf programmatische Arbeit, wirft man ihm Tatenlosigkeit vor.
Platzeck (und der SPD) bleibt eine Hoffnung: Bis 2009 ist noch viel Zeit. Vielleicht taucht bis dahin noch ein Senkrechtstarter auf. Auf jeden Fall können die Sozialdemokraten darauf spekulieren, dass sich die Union wieder einmal selbst schwächen wird. Denn das Gerangel zwischen Merkel und Stoiber vor den vergangenen beiden Bundestagswahlen hat gezeigt: Keinen geeigneten Kanzlerkandidat zu haben, ist manchmal besser als zu viele.