Der Turm

Film Der Turm

Szene aus dem Film "Der Turm"
Familie Hoffmann versucht, sich in der DDR zu arrangieren.
Produktionsland Deutschland
Jahr 2012
Spielzeit 180 Minuten
Regie Christian Schwochow
Hauptdarsteller Jan Josef Liefers, Sebastian Urzendowsky, Claudia Michelsen, Götz Schubert, Nadja Uhl, Josephin Busch
Bewertung

Worum geht’s?

Im Dresden der 1980er Jahre versucht Familie Hoffmann, im real existierenden Sozialismus zurecht zu kommen und sich zugleich einen Rest ihrer bildungsbürgerlichen Tradition zu erhalten. Doch das Lavieren zwischen klassischen Konzerten und Stasi-Avancen, literarischen Fluchten und politischem Aufbegehren ist nicht einfach. Das gilt für Richard, der als Chirurg täglich die Folgen der Mangelwirtschaft zu spüren bekommt. Es gilt auch für seinen Sohn Christian, der in die Fußstapfen seines Vaters treten und Medizin studieren möchte – und deshalb im Internat nicht aus der Reihe tanzen darf.

Das sagt shitesite:

Als Zweiteiler hat Das Erste den gefeierten Roman von Uwe Tellkamp verfilmt. Der Moment, der vielleicht am besten die Qualitäten dieser Adaption zeigt, ist der Beginn des zweiten Teils: In nur 80 Sekunden wird dort das „Was bisher geschah“ abgehandelt, und spätestens dann erkennt man, wie gut es Regisseur Christian Schwochow gemeinsam mit Drehbuchautor Thomas Kirchner verstanden hat, die ausschweifende Handlung und die hochkomplexe Figurenkonstellation von Der Turm zu komprimieren und dabei die wichtigsten Stärken des Buchs zu bewahren.

Erzählt wird die Zeit von 1982 bis 1989, die Weihnachtsfeste im Hause Hoffmann werden dabei zu Meilensteinen des Niedergangs der DDR. Musik und Literatur werden auch hier zum Paralleluniversum voller Würde und Freiheit, trotzdem ist die Fernseh-Adaption von Der Turm etwas weniger bildungsbürgerlich als das Buch, auch die Stadt Dresden und das von den Hoffmanns bewohnte Villenviertel „Weißer Hirsch“ spielen bei weitem keine so große Rolle wie im Roman.

Stattdessen setzt der Film auf andere Mittel, vor allem auf das Zwischenmenschliche. Subtile Frotzeleien gegen die Partei. Persönliche Beziehungen, mit denen man das eine oder andere Defizit der Mangelversorgung ausgleichen konnte. Das ständige Austarieren dessen, welchen Teil der eigenen Meinung man wann, wo und wem sagen durfte. Das Erbauen kleiner Parallelwelten, in denen das sonst allgegenwärtige Regime außen vor war. Auch die perfiden Strategien der Stasi, den Menschen im Arbeiter- und Bauern-Staat noch den kleinsten Rest an Individualität zu verbieten und damit in Summe die Menschlichkeit zu meucheln.

Dem setzt die Familie Hoffmann den Versuch entgegen, sich einen Rest von Kultur (man kann auch sagen: von Bourgeoisie) zu bewahren, als Symbol und Beweis für die eigene Menschlichkeit, den eigenen Wert. Trotzdem leben hier alle so etwas wie ein Leben in der Warteschleife und stehen schnell vor der Frage: Wie weit kann man seine Ambitionen zurückstellen und durch Anpassung ersetzen?

Besonders eindrucksvoll wird das durch die starke Leistung von Sebastian Urzendowsky als Christian, der zu Beginn von Der Turm ein herzensguter Abiturient und am Ende ein zynischer NVA-Unteroffizier ist: Man sieht ihm das Ringen um Authentizität an, die Suche nach einem eigenen Weg, der selbstbestimmt ist, aber zugleich nicht die Möglichkeit von Zugehörigkeit in diesem Land ausschließt.

Der zweite Teilsatz ist wichtig, denn er unterstreicht eine weitere Qualität von Der Turm: Es gibt kaum Klischees. Die DDR ist hier kein Land der Dauerdepression, der Film wird auch kein Porträt aus der Sicht der historischen Sieger. Der Turm nimmt sich Zeit, um auch die tatsächlich Überzeugten (und die tatsächlich Ignoranten) zu zeigen, er lässt Raum für Normalität, Alltag, Freude, Miteinander, Identifikation. Aber mit seiner sehr gut getroffenen Atmosphäre zeigt er auch: Da ist ein Schleier, der über etlichen Figuren liegt, ein Schraubstock, in dem sie zu stecken scheinen, der sich immer weiter schließt.

Bestes Zitat:

„Die Macht ist teuer und mit Blut erkauft. Die kann man nicht so einfach aus der Hand geben.“

Hintergründe zum Film.

https://www.youtube.com/watch?v=ll7FvgeACZw

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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