Draufgeschaut: Herzensbrecher

Francis (Xavier Dolan, links) und Marie (Monika Chokri) schwärmen für Nicolas (Niels Schneider).
Francis (Xavier Dolan, links) und Marie (Monika Chokri) schwärmen für Nicolas (Niels Schneider).
Film Herzensbrecher
Originaltitel Les amours imaginaires
Produktionsland Kanada
Jahr 2010
Spielzeit 101 Minuten
Regie Xavier Dolan
Hauptdarsteller Monia Chokri, Xavier Dolan, Niels Schneider
Bewertung ***

Worum geht’s?

Nicolas ist gerade nach Montreal gezogen, als er bei einer Party Marie und ihren schwulen Mitbewohner Francis kennen lernt. Beiden verdreht der Blondschopf sofort mächtig den Kopf. Marie und Francis beginnen, ihren Schwarm zu umwerben, wollen sich das gegenseitig aber nicht eingestehen und zugleich dem möglichen Glück des jeweils anderen auch nicht im Weg stehen. Trotzdem werden sie zu Konkurrenten um die Gunst von Nicolas, der anscheinend beiden Hoffnungen macht und sich bestens gefällt als strahlender Mittelpunkt eines schwärmerischen Trios.

Das sagt shitesite:

Böse formuliert könnte man sagen: In einigen Passagen wirkt Herzensbrecher wie ein sehr poetischer Aufschrei gegen die scharfen Nichtraucherschutzgesetze in Kanada. In kaum einer Szene sind die Protagonisten ohne Zigarette zu sehen, und ihre einzigen sonstigen Grundnahrungsmittel scheinen Wodka und Kaffee zu sein. „Ich rauche gern. Eine Zigarette zu rauchen ist wie ein Vergessen. Wenn ich am Ende bin, bleibt mir nur noch das: eine Zigarette anzünden, sie rauchen, und die Schnauze halten. Das verbirgt die Scheiße“, sagt eine der Hauptfiguren sogar gegen Ende.

Das zeigt schon das Milieu von Herzensbrecher: Man ist jung, unbekümmert, leidenschaftlich. Arbeit existiert nicht, und die Partys finden am besten gleich zuhause statt. In dieser Atmosphäre suchen trotzdem alle nicht bloß nach Spaß, sondern nach der großen Liebe. Auf Marie, Francis und Nicolas trifft das zu – aber nicht nur. Der Film wird immer wieder unterbrochen von Interviewsequenzen, in denen junge Leute von ihren (stets gescheiterten) Beziehungen, Flirts und Schwärmereien berichten. Die Kamera zoomt dabei stets hektisch hinein und heraus, als wolle sie die Unsicherheit und Schwierigkeit von Annäherungsversuchen noch unterstreichen.

Marie und Francis werden bei genau diesen Schwierigkeiten begleitet. Wie gut sie von Monica Chokri und Xavier Dolan (von dem auch Regie und Drehbuch stammen) gespielt werden, ist einer der Faktoren, die Herzensbrecher so gelungen machen. Zunächst wollen sie nicht einmal zugeben, dass sie ein Auge auf Nicolas geworfen haben. Als sich das dann nicht mehr leugnen lässt, legen sie eine herrliche Verkrampftheit an den Tag, wann immer sie ihrem Traummann begegnen: Noch angestrengter kann man nicht so tun, als sei man gerade total locker. Wie sie sich herausputzen oder Nicolas mit Geschenken umgarnen, offenbart gerade durch seine Parallelität den letztlich unerbittlichen Wettstreit, den sich die beiden Freunde liefern.

Beide ahnen, dass sie Nicolas – irgendwo zwischen Adonis und Dorian Gray angesiedelt – womöglich nie gewinnen können. Marie ist eine raffinierte Verführerin, aber ihre Schönheit paart sich mit einer guten Dosis Verschrobenheit. Die Hingabe von Francis ist mindestens ebenso liebenswürdig, aber er kann sich nicht sicher sein, ob er als Mann überhaupt bei Nicolas landen kann. Je mehr die beiden selbst an ihren Erfolgsaussichten zweifeln, desto feindseliger werden sie gegeneinander.

Noch eine Ebene gibt es in Herzensbrecher, das zudem von einer magischen Leichtigkeit und der erfreulichen Tatsache lebt, dass hier niemals moralisiert wird: Jeweils zweimal sind Marie und Francis in Bettszenen zu sehen mit den Liebhabern, die jeweils als Ersatz für die Sehnsucht nach Nicolas herhalten müssen. In jeweils andersfarbigem Licht, aber fast identischen Einstellungen ist das Liebesspiel da zu sehen, und die Botschaft dieser Passagen liegt auf der Hand: Homo, Bi und Hetero und wer mit wem schläft, ist egal – Liebe bleibt Liebe, Sex bleibt Sex, Eifersucht bleibt Eifersucht und Schmerz bleibt Schmerz.

Bestes Zitat:

“Diese Pseudo-Borderliner mit ihrem Leidensfetisch! Für die ist ihre Traumwelt vom Schmerz der Ausweg aus einem öden Leben. Fuck Off! Die sollten sich mal flachlegen lassen.”

Der Trailer zum Film:

httpv://www.youtube.com/watch?v=8N4pDnsbT6E

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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