In Bed With Madonna

Film In Bed With Madonna

In Bed With Madonna Kritik Rezension
Vor jedem Konzert betet Madonna mit ihrer Crew.
Originaltitel Madonna: Truth Or Dare
Produktionsland USA
Jahr 1991
Spielzeit 122 Minuten
Regie Alek Keshishian
Hauptdarsteller Madonna
Bewertung

Worum geht’s?

Die Dokumentation begleitet Madonna im Frühjahr und Sommer 1990 auf ihrer „Blond Ambition“-Welttournee, beginnend in Asien, dann bei einigen Stationen in den USA, schließlich in Europa. Der Film verknüpft Konzertszenen mit Interviews und Blicken hinter die Kulissen der Tour. Neben Madonna kommen auch die Mitglieder ihres Ensembles wie Tänzer, Musiker und Mitarbeiter des Managements zu Wort.

Das sagt shitesite:

Es wird ja gerne, und oft aus gutem Grund, über die deutschen Verleihtitel amerikanischer Kinofilme gespottet. In diesem Fall ist In Bed With Madonna eine klare Verbesserung. Erstens ist Madonna in den gut zwei Stunden des Films wirklich oft im Bett zu sehen. Zweitens nutzt der Titel die Strategie von „Sex sells“ und vermeintlich erotischer Provokation, auf der ein großer Teil von Madonnas Erfolg beruht. Drittens ist der eigentliche Titel einfach lächerlich: Es gibt am Ende des Films zwar eine Szene, in der Madonna mit einigen ihrer Tänzer „Wahrheit oder Pflicht“ spielt (und Fellatio mit einer Wasserflasche vorführen muss), aber vom vermeintlichen Enthüllungscharakter, den dieser Titel suggeriert, ist der Film natürlich meilenweit entfernt.

Man darf sicher sein, dass Madonna jede einzelne Szene genau geprüft und autorisiert hat. Auch wenn immer wieder der Eindruck erweckt wird, die Kameras würden praktisch alles filmen und Madonna auch in sehr privaten Momenten begleiten, ist hier keine einzige Sekunde enthalten, die ihr nicht passt. Die wenigen Szenen, in denen sie nicht gut wegkommt (etwa, wenn sich die Tänzer bei einer Bootstour durch Paris hinter ihrem Rücken über sie lustig machen), wurden nur deshalb nicht rausgeschnitten, um den Rest umso glaubhafter erscheinen zu lassen, der Madonna als Workaholic, Künstlerin, Aktivistin und fürsorgliche Chefin zeigt.

In Bed With Madonna lockt mit dem Versprechen, die echte, private Madonna zu zeigen. Stattdessen macht diese Dokumentation klar: Eine solche Madonna gibt es nicht. Person und Image sind bei der damals 32-Jährigen vollkommen verschmolzen. Das gilt während der Konzerte, wo sie wie eine Besessene wirkt, voll und ganz aufgehend im Dienst der Show und genauso fixiert auf die Bühnen-Persona wie ihr Publikum. Es gilt aber auch jenseits davon, egal ob sie einen Einkaufsbummel bei Chanel macht, eine alte Freundin wiedertrifft (und aalglatt deren Frage ausweicht, ob sie Patentante für ihre Tochter werden will) und auch beim vermeintlich intimen Besuch am Grab ihrer Mutter. Alles ist Inszenierung und Show. „She doesn’t live off camera“, stellt ein sichtlich konsternierter Warren Beatty, zu Beginn des Films noch der aktuelle Lover von Madonna, an einer Stelle fest.

Dazu passt auch, dass Madonna tatsächlich genauso fixiert auf Sex und Physis ist, wie es ihr Marketing vorgibt. Viele Szenen zeigen sie bei der (Gesund-)Erhaltung ihres Körpers, im Smalltalk mit dem Manager gibt es reichlich dreckige Zoten, als gegen Ende fast all ihre Tänzer nacheinander zu einer Kuscheleinheit in ihr Bett bestellt werden, bekommt fast jeder von ihnen einen Kommentar zur Größe seines Schwanzes zu hören.

Auch das überträgt sich auf ihr Werk: Man kann die „Blond Ambition“-Tournee – die durchaus auch heute noch unterhaltsam und spektakulär aussieht, vor allem durch die Choreografien – als so etwas wie den Beginn einer Entwicklung betrachten, in dem Pop (vor allem, wenn er von Sängerinnen vorgetragen wird), entmusikalisiert und immer stärker visualisiert wurde. Die Performance erinnert öfter an ein Fitnessvideo statt an eine musikalische Darbietung, es geht um Körper statt Stimme, Kostüme statt Songs. Instrumente sind in In Bed With Madonna kaum zu sehen, schon gar nicht kommen die Musiker ins Bild, die diese Instrumente bedienen. Und Szenenapplaus gibt es für Tanzeinlagen oder Outfitwechsel, nicht für eine besonders bedeutende Textzeile oder ein gelungenes Gitarrensolo.

Dennoch wünscht man sich, die Dokumentation würde mehr Konzertsequenzen zeigen, denn sie sind mit Abstand das Sehenswerteste in diesem Film. Die anderen Passagen kranken an einigen elementaren Schwächen: In Bed With Madonna hat keinen Plot, keinen Konflikt und auch keinen Spannungsbogen, auch wenn es immerhin ein paar Reibereien gibt (Regen in Asien, Soundprobleme in Los Angeles, eine drohende Verhaftung in Toronto wegen simulierter Masturbation auf der Bühne, ein heikler Besuch von Madonnas gerade aus dem Entzug entlassenen Bruder in Detroit, Stimmprobleme in New York, eine angebliche Affäre mit einem Tänzer, ein erfolgloser Flirt mit dem verheirateten Antonio Banderas in Madrid). Einziger Inhalt ist die Glorifizierung Madonnas.

Die Sängerin erscheint hier als Diva, Diktatorin und Mutter der Kompanie, und die Reibungen zwischen diesen unterschiedlichen Rollen gestatten dann doch ein paar ungewollte Einblicke. Man kann Madonna hier als gehässig, berechnend, einsam und exzentrisch erleben. Ständig sind sehr viele Leute um sie herum, wohl vor allem, um sie von ihrer eigenen Unsicherheit abzulenken und sie von der Bürde zu befreien, sich womöglich tatsächlich eingehend mit nur einem einzigen Mitmenschen befassen zu müssen, ohne die Möglichkeit, einem Konflikt oder einer unangenehmen Frage auszuweichen, indem die Aufmerksamkeit einfach zu jemand anderem im Raum wandert. Vor allem dieser Umgang mit ihrer Crew ist erhellend: Madonna tut, als wäre sie Teil des Teams, dabei ist sie ein unbarmherziger Boss. Sie predigt Gleichberechtigung, Loyalität und Hingabe, ordnet aber alles dem Erfolg ihrer Tour unter und fordert hundertprozentiges Funktionieren ein. Nicht nur in den Bettszenen mit den Tänzern behandelt sie Crew und Ensemble wie Leibeigene – den Respekt, von dem sie singt und zu dem sie in einem der Gebete vor der Show alle ermahnt, bringt sie ihren eigenen Mitarbeitern nicht entgegen. Auch da fallen Kunst und Person wieder ineinander: Das selbst ernannte Material Girl, das heute als reichster Popstar aller Zeiten gilt, ist eine ultimative Kapitalistin.

Bestes Zitat:

„People always talk about how stardom changes you. They never talk about how it can change the people close to you.“

Der Trailer zum Film.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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