Tage des Sturms

Film Tage des Sturms

Alfred Mannschatz (Peter Sodann) will seine alten Überzeugungen nicht aufgeben.
Alfred Mannschatz (Peter Sodann) will seine alten Überzeugungen nicht aufgeben.
Produktionsland Deutschland
Jahr 2003
Spielzeit 95 Minuten
Regie Thomas Freundner
Hauptdarsteller Peter Sodann, Thekla Carola Wied, Wotan Wilke Möhring, Franziska Petri, Vincent Göhre, Anian Zollner, Hans Peter Hallwachs
Bewertung

Worum geht’s?

Der Sommer 1953 ist in Bitterfeld zunächst nicht besonders aufregend. Nur im Hause Mannschatz herrscht dicke Luft: Alfred Mannschatz, schon zu Zeiten der Weimarer Republik ein überzeugter Sozialdemokrat, überwirft sich mit seinen alten Genossen, die mittlerweile in der SED organisiert sind. Seine Tochter möchte nicht nach Mecklenburg ziehen, wohin es ihren Mann zieht, weil dort erstens Arbeitskräfte gebraucht und zweitens eigene Wohnungen für junge Ehepaare versprochen werden. Als sich die Nachricht verbreitet, dass Stalin gestorben ist, gerät allerdings das ganze Städtchen in Aufruhr: Viele machen ihrem Unmut über die Verhältnisse in der noch jungen DDR mit Demonstrationen und Streiks Luft, und Hartmut Brücken – der Schwiegersohn von Alfred Mannschatz – will plötzlich nicht mehr an die Ostsee, sondern wird zum Anführer der Protestbewegung.

Das sagt shitesite:

Anhand des Schicksals einer Familie erzählt dieser Film, für dessen Drehbuch unter anderem Erich Loest verantwortlich war, eindringlich eine Episode der deutschen Zeitgeschichte. Die Personalisierung der Konflikte wird dabei zwar gelegentlich übertrieben, dafür hat Tage des Sturms zwei sehr starke Schauspielerleistungen zu bieten: Für Peter Sodann wird der Part des Alfred Mannschatz, eines alten Sozi-Recken, der im Widerstand war und sich nun darüber wundern muss, was andere Genossen aus seinen Idealen gemacht haben, zur Paraderolle. Hans-Peter Hallwachs glänzt als Stasi-Offizier, der früher Seit‘ an Seit‘ mit Mannschatz kämpfte und nach wie vor Verständnis für dessen Position aufbringt, aber mittlerweile dennoch über Leichen geht, um den Arbeiter- und Bauern-Staat zu schützen.

Diese differenziert gezeichnete Figur passt durchaus zum Charakter von Tage des Sturms, das sich schnelle Urteile über Gut und Böse, Opfer und Täter, Aufrechte und Feiglinge meist verbietet. Als Glücksgriff erweist sich auch die Tatsache, dass die Handlung in Bitterfeld angesiedelt ist, also zugleich in einem industriellen Herzstück der jungen DDR und weitab von den politischen Entscheidungszentralen. Durch diesen Schauplatz wird deutlich, wie schwierig es war, ein neues Land aufzubauen, von dem sich damals viele tatsächlich noch eine bessere, gerechtere Zukunft erhofften, trotz der Tristesse des real existierenden Sozialismus. Die Entschiedenheit der politischen Überzeugung soll Materialmangel in den Fabriken, eine marode Infrastruktur, Lebensmittelknappheit und Wohnungsnot ersetzen.

Die Entfernung zu Berlin bewahrt Tage des Sturms zudem davor, allzu patriotisch das Fähnlein der deutschen Einheit zu schwenken, die im Juni 1953 keineswegs zu den Kernforderungen des Aufstands zählte, erst recht nicht in Bitterfeld. Der Film betont: Die Menschen, die hier auf die Straße gingen, waren unzufrieden mit der Situation, aber sie glaubten an das System. Sie wollten Reformen, keine Revolution.

Wie sich die Situation dann dennoch derart zuspitzt, dass die Machthaber in eine „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“-Paranoia verfallen, zeichnet der Film trotz seiner insgesamt eher biederen Inszenierung eindrucksvoll nach. Verblendung, Propaganda und auch ein gutes Stück Zufall tragen dazu bei, den Streik zu einem Volksaufstand und einem blutigen Finale eskalieren zu lassen, Am Ende sind an diesem 17. Juni 1953 reihenweise Illusionen zerplatzt, in Berlin und auch in Bitterfeld. Und es ist reichlich Vertrauen zerstört worden, in die Mitmenschen und in das Versprechen, das dieses Land eine bessere Republik sein könnte.

Bestes Zitat:

“Die deutsche Einheit, wer will denn die? Weder die Amis noch die Russen.“

Es gibt leider keinen Trailer zum Film.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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