Draufgeschaut: This Is England

Film This Is England

Shaun (Thomas Turgoose) wird zum Nachwuchs-Skinhead.
Shaun (Thomas Turgoose) wird zum Nachwuchs-Skinhead.
Produktionsland Großbritannien
Jahr 2006
Spielzeit 100 Minuten
Regie Shane Meadows
Hauptdarsteller Thomas Turgoose, Stephen Graham, Jo Hartley, Andrew Shim, Frank Harper, Vicky McClure, Joseph Gilgun, Rosamund Hanson
Bewertung

Worum geht’s?

England 1983: Der zwölfjährige Shaun leidet unter dem Tod seines Vaters, der gerade im Falkland-Krieg gefallen ist. In der Schule ist er Hänseleien ausgesetzt. Als er sich mit einer Gruppe von Skinheads anfreundet, die durchweg deutlich älter sind als er, findet er wieder Halt und Orientierung in seinem Leben. Anerkennung, Spaß, Zugehörigkeit – all das darf er nun erleben. Bis Combo, der gerade eine Gefängnisstrafe abgesessen hat, wieder zur Clique stößt. Er spaltet die Gruppe mit seinem Versuch, die Skinheads gegen Ausländer aufzuwiegeln. Shaun ist allerdings fasziniert  von Combos kernigem Auftreten.

Das sagt shitesite:

Der Titel klingt hochtrabend, wurde aber immerhin innerhalb des Vereinigten Königreichs seinem Anspruch gerecht: Wie wichtig This Is England für die Auseinandersetzung der Engländer mit ihrer eigenen Identität wurde, belegen gleich mehrere Tatsachen. Zwei Fernseh-Miniserien (This Is England 86 und This Is England 88) griffen die Thematik später wieder auf. Zudem gab es einige Auszeichnung, wie den BAFTA-Award als bester britischer Film sowie zwei Trophäen (als bester Film und für Hauptdarsteller Thomas Turgoose als bester Newcomer) und vier weitere Nominierungen (unter anderem für Regie und Drehbuch) bei der Wahl zum besten britischen Independent-Film des Jahres 2006.

Für nicht-britische Zuschauer ist es etwas schwieriger, diese Begeisterung nachzuempfinden. This Is England hat ein spannendes Thema, starke Darsteller und stimmige Bilder. Aber gelegentlich ist das Drehbuch auch etwas plump, der Schluss des Films erlaubt sich gar ein Pathos, das weder zu den gut anderthalb Stunden zuvor passt, noch zum quasi-dokumentarischen Anspruch von Regisseur und Drehbuchautor Shane Meadows, der hier Erlebnisse aus seiner eigenen Jugend nachzeichnet.

Dabei ist diese Authentizität über lange Zeit der größte Pluspunkt des Films. Zu Beginn gibt es drei Minuten lang ikonographisch gewordene Bilder aus Britanniens Achtziger Jahren, vom Bergarbeiterstreik über die Hochzeit von Charles und Diana bis zu Szenen von den Schlachtfeldern aus Falkland. Auch danach ist kaum zu glauben, wie realistisch This Is England mit seinen Kulissen, Outfits und Soundtrack die Stimmung jener Jahre wieder zum Leben erweckt. Ebenso echt wirken die Beziehung von Shaun zu seiner Mutter, die ohne Sentimentalität erzählt wird, und sein Eintauchen in die Skinhead-Szene. Mobbing in der Schule, die Suche nach Vaterfiguren, die Wirkungsweisen von Gruppenzwang: All das kann man hier beinahe exemplarisch nachverfolgen.

Fast pädagogischen Charakter hat This Is England noch in einer weiteren Hinsicht: Sehr eindrucksvoll kann man hier erstens nachvollziehen, wie die Jahre der Thatcher-Regierung den sozialen Zusammenhalt in England unterminiert haben, und wie zweitens die Aufspaltung der Skinhead-Szene in einen politisch-pluralistischen/indifferenten und einen rechten Flügel ablief. Wer Glatzköpfe sofort mit Neonazis gleichsetzt, der kann hier eine Menge lernen. Und wer immer schon wissen wollte, warum sich die Briten auch im Urlaub auf den Kanaren schon beim kleinsten Anlass so gerne die Köpfe einschlagen, der findet in diesem Film auch ein paar einleuchtende Erklärungen.

Bestes Zitat:

„Ihr solltet zu ’nem Seelenklempner gehen.“

Der Trailer zum Film.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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